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Das letzte Riff

Das letzte Riff

Titel: Das letzte Riff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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bewegungslos da, als gäbe es nur Bolitho und ihn.
    In diesen Sekunden erkannte Bolitho, daß Herricks Haar silbergrau geworden war und daß er sich so steif hielt, als schmerze ihn seine Verwundung immer noch.
    Bolitho trat vor und streckte beide Hände aus. »Du bist mir willkommen, Thomas!«
    Herrick griff nach Bolithos Händen und starrte ihn an; das letzte Sonnenlicht funkelte rot in seinen Augen.
    »Es ist also wahr. Du lebst.« Dann senkte er den Kopf und sagte so laut, daß auch Keen und Jenour es hören konnten: »Verzeih’ mir, Richard!«
    Als Jenour den beiden Flaggoffizieren nach achtern folgen wollte, hielt Keen ihn am Arm zurück.
    Ganz verstand Jenour das nicht. Er hatte Herrick nie sonderlich gut gekannt. Wenn sein Name fiel, hatte er höchstens Eifersucht gespürt, wegen Herricks Nähe zu Bolitho und wegen der vielen Erfahrungen, die sie teilten. Aber wie Keen begriff er, daß er eine wichtige Szene miterlebt hatte, und fragte sich, wie er sie in seinem nächsten Brief an die Eltern beschreiben sollte.
    Allday stand im Schatten des Achterdecks, als Bolitho als erster den Niedergang herunterkam. Um sie herum bereitete das Schiff sich auf die Hundewache vor und auf seine erste Nacht vor Anker. Allday konnte das Land riechen und wurde unruhig, wie immer auf solchen Liegeplätzen.
    Auch er dachte an Herrick. Schwer zu glauben, daß dies derselbe Mann war. Aber er schüttelte die Erinnerungen ab und sah zu, wie der erste Zug Seesoldaten sich auf wichtige Punkte an Oberdeck verteilte. Auf den Seitendecks lagerten schwere Kanonenkugeln für den Fall, daß nachts ein unerwünschtes Boot dem Linienschiff zu nahe kam. Wenn eine fallende Kanonenkugel erst einen Rumpf durchlöchert hatte, blieben die anderen Boote schnell weg. Die Posten sollten aber auch alle die an Bord halten, die sich angesichts der Inseln zur Fahnenflucht verlockt sahen. Ein paar von ihnen würde selbst die Furcht vor Auspeitschung oder Schlimmerem nicht abhalten.
    Allday rieb sich die Brust. Da war wieder der Schmerz. Wie die See ließ er ihn einfach nicht los.
    Thomas Herrick stand an den Heckfenstern und starrte übers Wasser auf die Lichter des Hafens.
    Ozzard wartete mit einem Tablett. Sein Blick blieb neutral, während er den Besucher fragend ansah.
    »Was darf ich dir anbieten, Thomas? Noch sind wir ganz gut bestückt, du hast also die freie Auswahl.«
    Herrick setzte sich vorsichtig, hielt sich immer noch sehr gerade. »Am liebsten würde ich Ingwerbier trinken. Ich weiß kaum noch, wie es schmeckt.«
    Bolitho wartete, bis Ozzard um das Gewünschte ging, und warf dann seine schwere Uniformjacke auf die Bank. »Seit wann wußtest du Bescheid, Thomas?«
    Herrick sah sich langsam in der großen Kajüte um, erinnerte sich vielleicht an das Kriegsgericht oder auch daran, daß sein eigener Konteradmiralswimpel einmal über der jetzt abgewrackten
Benbow
geweht hatte.
    »Seit zwei Tagen. Die Nachricht kam mit einem schnellen Postschiff aus England. Ich konnte sie kaum glauben. Als dein Schiff schon vor der Küste gemeldet wurde, dachte ich immer noch, irgendein Idiot hätte sich geirrt.« Herrick senkte den Kopf und stützte das Kinn auf die Hand. »Wenn ich daran denke, was wir alles mitgemacht haben …« Seine Stimme brach fast. »Ich meine immer noch, es war ein Alptraum.«
    Bolitho trat hinter Herricks Stuhl und legte ihm die Hand auf die Schulter, um ihn zu beruhigen und seine eigene Bewegung vor Ozzard zu verbergen, der gerade zurückgekehrt war.
    Herrick riß sich zusammen und hielt das Kristallglas prüfend gegen das Licht. »Ingwerbier.« Er sah die Bläschen perlen. »Auf die Inseln des Todes! Man tut zwar so, als seien sie ein Teil Englands. Aber wenn sich die Leute hier nicht in einen frühen Tod saufen, werden sie Opfer so vieler verschiedener Krankheiten, daß die Ärzte nicht mehr aus noch ein wissen.« Er leerte das Glas und ließ sich von Ozzard nachschenken.
    Bolitho setzte sich und genoß ein Glas Weißwein, den Catherine an Bord geschickt hatte. Ozzard hielt diese Weine irgendwo in der Bilge kühl, aber es grenzte doch an ein Wunder: Der Wein schmeckte so frisch, als hätte die Flasche in einem eiskalten Gebirgsstrom gelagert.
    »Und Lord Sutcliffe?« fragte er mit einiger Vorsicht, weil er spürte, daß Herrick sich nicht ganz wohl fühlte.
    Herrick zuckte mit den Schultern. »Der hat das Fieber. Er liegt oben in St. John’s – die Luft ist dort frischer und besser. Aber ich fürchte um sein Leben. Er hat mir hier

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