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Das letzte Riff

Das letzte Riff

Titel: Das letzte Riff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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drohenden Gefahr für Herricks Geleitzug erfahren hatte. Ihr Kommandant John Crowfoot war nicht älter als Keen, doch schon so grau und gebeugt, daß er eher wie ein würdiger Landpfarrer aussah als wie ein im Feuer gehärteter Marineoffizier.
    Das Wachboot war schon da, seine Flagge hing schlapp, aber noch deutlich erkennbar herunter. Keen erspähte einen Ankerplatz, wo sie genügend Raum zum Schwojen haben würden, ohne mit den Ankertrossen der anderen eine Wuhling anzurichten.
    Der letzte Salutschuß dröhnte übers Wasser; dreizehn waren es gewesen. Keen befahl, das Schießen einzustellen, und meinte: »Lord Sutcliffe ist wohl gerade nicht anwesend, Sir. Der Salut galt Ihnen als dem jetzt ranghöchsten Offizier.«
    Bolitho wartete äußerlich ruhig, doch die Erregung, die ihn bei jedem Landfall packte, konnte er auch diesmal nur schwer unter Kontrolle halten.
    »Klar zum Aufschießen! Klar bei Anker!« Keen machte eine kurze Pause, dann: »Ruder nach Lee!« Sehr langsam und schwerfällig drehte die
Black Prince
in das bißchen Restwind. Ihre Toppsegel wurden schon aufgetucht, als das Kommando über Deck schallte: »Laß fallen Anker!«
    Mit lautem Klatschen fiel der Anker in das von der Sonne kupferrot beleuchtete Wasser; Spritzer prasselten wie Hagel auf den Bugsprit.
    Keen befahl: »Sonnensegel und Windhutzen aufriggen!« Er fügte hinzu: »Hier scheint jeder uns anzustarren.«
    Bolitho gab sein Glas einem winzigen Midshipman. »Nehmen Sie das mit nach oben, Mr. Thornborough, und informieren Sie Ihren Leutnant, wenn etwas Ungewöhnliches in Sicht kommt.« Er sah die Augen des Jungen sich weiten ob dieses Vertrauensbeweises. Thornborough war einer der Zwölfjährigen, aber es war nie zu früh für die Erkenntnis, daß auch die Männer mit den glänzenden Schulterstücken nur Menschen waren.
    »Hören Sie das?« In Keens sonnverbranntem Gesicht leuchteten die weißen Zähne, als er grinste. »Die
Glorious
hat ihre Besatzung auf die Rahen geschickt.« Er konnte seine Rührung kaum verbergen, als von den Rahen und Webleinen des nächsten Vierundsiebzigers Wellen von Hurrarufen herüberschallten. Auch die Gänge standen voll winkender Matrosen und Seesoldaten. »Die Nachricht über Ihr Kommen war wohl vor uns da, Sir Richard. Die wissen, daß ihr Held unter ihnen ist, hören Sie nur!«
    Bolitho sah zu den Männern hinüber. Sie kannten seinen Ruhm aus Berichten, sie kannten auch Gerüchte – aber mehr nicht. Er trat an die Relingsnetze und schwenkte den Hut hoch über seinem Kopf – zum deutlichen Vergnügen der paradierenden
Glorious
-Besatzung.
    Keen sah schweigend zu, billigte die Geste. Wie hatte er je an diesen Männern zweifeln können? Jetzt hatte ein zweites Schiff den Jubel übernommen, dann ein drittes. Keen musterte Bolithos Profil und war zufrieden. Alles war wieder in Ordnung – bis zum nächsten Mal.
    Sedgemore kam nach achtern und grüßte: »Schiff liegt sicher vor Anker, Sir!«
    »Machen Sie bitte den Reserveanker klar.« Als Keen auf Unverständnis bei Sedgemore stieß, fügte er schärfer hinzu: »Denken Sie dran, wir liegen vor einer Leeküste und sind noch in der Hurrikansaison!«
    Midshipman Thornborough meldete mit vor Aufregung rotem Gesicht: »Barkasse nähert sich, Mr. Daubeny!«
    Bolitho setzte den Hut auf und trat zur Seite, als die Seesoldaten zur Eingangspforte marschierten, um den ersten Besucher an Bord zu begrüßen. Gleich würde es dunkel sein, der Sonnenuntergang hier glich eher einem fallenden Vorhang. Wenn die Lichter am Ufer heller strahlten, würde er auch das Haus wiedererkennen, in dem er neben Catherine gespeist hatte. Ihre Hände hatten sich fast berührt, während sie höfliche Worte mit ihrem Mann wechselte, der am anderen Ende des Tisches präsidierte.
    Die Ehrenwache stellte sich auf. Die Gehilfen des Bootsmanns feuchteten die silbernen Pfeifen an, und die Seesoldaten präsidierten ihre Musketen.
    Keen setzte das Glas ab. »Es ist Konteradmiral Herrick, Sir«, sagte er leise. »Ich will ehrlich sein, Sir, es fällt mir nicht leicht, ihn willkommen zu heißen.«
    Bolitho blickte der Barkasse entgegen. Ihre Riemen leuchteten über dem dunklen Wasser wie abgenagte Knochen.
    »Keine Sorge, Val. Ihm fällt es wahrscheinlich noch viel schwerer.«
    Die Barkasse verschwand aus ihrem Blickfeld, und nach einer halben Ewigkeit erschienen Herricks Kopf und Schultern in der Seitenpforte. Während die Bootsmannspfeifen ihren Salut trillerten, nahm er seinen Hut ab und stand

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