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Das letzte Riff

Das letzte Riff

Titel: Das letzte Riff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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aber erst sechs Monate bei uns.«
    Wahrscheinlich würde Bezant trotzdem bis Kapstadt aus seinem Sammelsurium von Männern eine Besatzung zusammengeschweißt haben, die ebenso Teil seines geliebten Schiffs war wie die Leinwand und das Tauwerk.
    Bolitho hörte einen Fisch ins Wasser zurück klatschen, wahrscheinlich auf der Flucht vor einem unsichtbaren Verfolger. Seit Gibraltar hatten sie ziemlich viel Pech gehabt. Ein Toppgast war in einer starken Bö von oben gekommen, auf die Leereling geschlagen und sofort tot gewesen. Bolitho hatte den Mann nicht gekannt, aber als Seemann genau wie Bezant den Verlust gefühlt, als dieser aus seinem zerfledderten Gebetbuch vorlas: »Wir übergeben diesen Leichnam der Tiefe …«
    Nur noch einmal hatten sie die Mastspitzen des fremden Schiffes gesehen, am zweiten Tag nach Gibraltar. Danach nichts mehr. Selten, und dann meistens gegen Sonnenaufgang, hatten sie Hinweise auf Land wahrgenommen: eine Inselgruppe wie niedrige Wolken an der Kimm oder ein einsames Inselchen, das wie ein zerbrochener Zahn aus dem Wasser ragte. Bezant wußte zu berichten, daß Piraten dort Gefangene absetzten, die dann vor Einsamkeit oder Hunger verrückt wurden. »Es wäre besser«, sagte er, »ihnen gleich die Kehle durchzuschneiden.«
    Und hinter all dem spürten sie im Osten die afrikanische Küste. Natürlich blieb sie unsichtbar, mußte aus navigatorischen Gründen unsichtbar bleiben. Aber jeder wußte, daß Afrika hinter dem Horizont lag.
    Catherine beobachtete Bolitho über die rote Schulter des Mädchens hinweg. Sicherlich dachte er wieder an die vielen Zwischenfälle auf ihrer Reise. Ob er wohl seine Bedrückung mit ihr teilen würde?
    In einer Nacht, die zu heiß und zu feucht zum Schlafen gewesen war, hatten sie lange in der großen Kajüte gesessen und plötzlich schlurfende Schritte über sich an Deck gehört. Dann, es schien eine Ewigkeit später, erklang der gellende Ruf: »Mann über Bord!« Die Tür des Skippers hatte sofort geknallt.
    Bezant rannte nach oben und brüllte seine Kommandos: »Vorbramsegel back! Klar zur Wende! Achterboot klar zum Aussetzen!«
    Catherine folgte Bolitho an Deck und staunte, wie geisterhaft die prallen Segel und die zitternden Wanten im Mondlicht wirkten. Auch die See, glatt wie geschmolzenes Silber, sah unwirklich und endlos aus.
    Natürlich war das Boot ohne den über Bord Gefallenen zurückgekehrt. Die Mannschaft sorgte sich in diesem Geisterlicht mehr darum, ihr Schiff im Blick zu behalten, als den Ertrinkenden zu retten.
    Der Erste Offizier, Steuermann Lincoln, hatte Wache gehabt. Man hatte ihm gemeldet, einer der Gefangenen habe einen Anfall, der seine Mitgefangenen gefährde. Um die anderen Gefangenen zu beruhigen und aus Mitgefühl für den Kranken hatte Lincoln ihn an Deck bringen lassen. Was als nächstes geschah, wurde nicht ganz klar. Ohne einen Laut hatte der Gefangene sich von seinem Bewacher befreit und war über Bord gesprungen. Er hatte noch Handfesseln getragen, doch das war erst später aufgefallen.
    Dann war jemand ausgepeitscht worden, ein seltenes Ereignis auf der
Golden Plover
. Ein Matrose war auf Wache betrunken ertappt worden und hatte Britton, den Bootsmann, beschimpft und beleidigt, als der ihn auf dem Vorschiff schlafend entdeckte.
    Keens Gesicht war eine unbewegte Maske gewesen, als das Knallen der neunschwänzigen Katze bis in die geschlossene Kajüte drang. Er dachte bestimmt an Zenoria, die seinerzeit ähnliche Brutalitäten hatte aushalten müssen, auf dem Sträflingsschiff nach Australien.
    »Das war’s, Mädchen.« Catherine lächelte, als Sophie sittsam ihr Kleid wieder schloß. »Hilf jetzt Ozzard beim Essenmachen.«
    Als sie wieder allein in der Kajüte waren, fragte Bolitho: »Langweilst du dich?«
    »Wenn ich in deiner Nähe bin? Niemals!«
    Bolitho zeigte voraus. »In ein paar Tagen, wenn der Wind durchsteht, werden wir die Kapverden an Steuerbord und die Senegalküste an Backbord haben. Aber ich glaube nicht, daß wir irgend etwas davon sehen.« Er lächelte.
    »Hast du Erinnerungen an diesen Teil der Welt, Richard?«
    »Ein paar.« Wieder sah er in das wirbelnde Heckwasser. »Ich war damals Midshipman auf der
Gorgon
, sie hatte vierundsiebzig Kanonen wie die alte
Hyperion

    »Wie alt warst du damals?« Sie sah den plötzlichen Schmerz in seinen grauen Augen.
    »Sechzehn, denke ich.«
    »War auch dein Freund dabei?«
    »Ja, Martyn Dancer.« Bolitho versuchte, die Erinnerung abzuschütteln. »Wir haben damals

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