Das letzte Riff
Sklavenhändler gejagt. Ich glaube, ihr verdammtes Fort steht immer noch an Senegals Küste. Unter anderer Flagge sicherlich, aber in demselben schrecklichen Geschäft.«
Leise öffnete sich die Tür, und Ozzard blickte herein. Als er Lady Catherine sah, wollte er sich zurückziehen. Doch Bolitho fragte: »Was ist?«
Auf Zehenspitzen trat Ozzard ein und schloß die dünne Tür sorgfältig hinter sich.
Catherine trat zu einem offenen Heckfenster und schaute auf die See hinaus. »Ich werde nichts ausplaudern.«
Ozzard sah sie am Fenster lehnen, einen spanischen Kamm im Haar, und mußte wieder an seine Frau in Wapping denken. An ihren fürchterlichen Anblick, als sie endlich geschwiegen hatte. Diesen Erinnerungen würde er nie entkommen können.
»Ich war in der Achterlast, Sir Richard, und wollte den Rheinwein holen, den Mylady in London gekauft hat. Der hält sich da unten besonders kühl.«
»Wir freuen uns darauf«, sagte Bolitho, merkte aber, daß der Mann etwas ganz anderes berichten wollte; es stand in seinem Gesicht.
»Da unten hörte ich Stimmen«, fuhr Ozzard fort, »fand ein Luftloch und lauschte. Es waren die Gefangenen. Einer sagte: ›Nachdem wir diesen Idioten jetzt los sind, werden wir zusammenhalten, klar?‹ Dann sagte ein anderer: ›Es wird euch nicht leid tun, ich verspreche es!‹«
Catherine drehte sich um. »Wer war der andere? Du hast die Stimme doch erkannt?«
Ozzard wand sich. »Ja. Es war der Steuermann, Mr. Lincoln!«
»Versuch’ Kapitän Keen zu finden und bitte ihn zu mir«, befahl Bolitho. »Aber geh’ nicht auf Zehenspitzen. Wir wollen keinen Verdacht erregen, oder?«
Als die Tür zufiel, setzte sich Catherine neben Bolitho.
»Hast du so etwas geahnt, Richard?«
»Nein. Aber mir fiel auf, daß alle Unfälle geschahen, während Lincoln oder Tasker Wache hatten.« Tasker war der Mann, der in Gibraltar neu an Bord gekommen war.
Sie fühlte seine Hand auf ihrer und sagte: »Mach’ dir um mich keine Sorgen, Richard. Wir waren schon öfter in gefährlichen Situationen.«
Bolitho schaute über ihre Schulter ins Leere, seine Gedanken rasten. Meuterei war schlimm genug, aber Piraterie noch schlimmer. Bei keinem der beiden Verbrechen wurden überlebende Zeugen geduldet. Und neben ihm saß Catherine!
Leise sagte sie: »Meinetwegen bist du hier und nicht auf einem Kriegsschiff, wo du alle Vollmachten hättest. Sag’ mir, was du erwartest, aber denk’ nicht an Nachgeben um meinetwillen. Ich bin an deiner Seite!« Sie hob die Rechte in die Sonne, daß ihr Ring glitzerte. »Denk’ daran, was er bedeutet. Und so soll es auch sein!«
Als Keen eintrat, bemerkte er nichts Ungewöhnliches, bis Bolitho sagte: »Wir müssen miteinander reden, Val. Jemand wird wahrscheinlich versuchen, dieses Schiff in seine Gewalt zu bekommen und sich dann mit unserem ›Schatten‹ zu treffen, der uns hinter der Kimm folgt.«
Keen sah zu Catherine hinüber. Nicht auszudenken, was ihr dabei widerfahren konnte.
»Ich bin bereit, Sir.« Er war überrascht, wie kühl ihn das ließ, was da vor ihnen lag.
Am nächsten Tag geschah nichts – bis zum späten Nachmittag. Der harte, wolkenlose Himmel und die See glänzten so, daß man nicht hinschauen konnte. Bolitho stand neben Keen hinter dem Rad und beobachtete die Wache bei ihrer langsamen Arbeit.
Bezant hatte die Sonnenhöhe mit seinem Sextanten gemessen und schien zufrieden mit Position und Geschwindigkeit. Ein warmer Nordwest füllte die Segel und hatte genügend Kraft, um Gischt über den Bugsprit zu wehen.
»Wollen Sie ihn einweihen, Sir?« fragte Keen leise.
Bolitho sah Catherine neben ihrer Zofe auf einer Bank unter dem Sonnensegel sitzen. Sophie ahnte nichts von ihrem Verdacht, und das war auch gut so. Aber Bezant? Er war damals in Falmouth mehr als betreten gewesen, als Jenour ihm verraten hatte, wer seine Passagiere sein würden. Gewöhnlich beförderte er kleinere Beamte und Garnisonsoffiziere, manchmal auch deren Frauen. Ein Vizeadmiral und seine Begleitung gehörten sonst nicht zu seinen Passagieren.
»Ihn einweihen?« Bolitho sah einem springenden Fisch nach. »Selbst wenn Sie Ihrem besten Freund ein Geheimnis anvertrauen, ist es keins mehr. Bezant mag ein guter Skipper sein – unser Freund ist er nicht.«
Ohne die Stimme zu heben, meinte Keen: »Vielleicht hat Ozzard sich ja auch geirrt. Vielleicht wollte der Steuermann nach allem, was passiert ist, die Gefangenen nur beruhigen.«
Bolitho lächelte. »Aber das glauben Sie doch nicht
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