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Das Letzte Ritual

Das Letzte Ritual

Titel: Das Letzte Ritual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardottir
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widerstehen. Ich hab das Kästchen mit ins Auto genommen, bevor der Bauer mich überraschen und jemandem davon erzählen konnte. Nach und nach wurde mir klar, was für Schätze ich in der Hand hielt. Sie stammten aus dem Besitz von Skálholt. Zwei der Bücher waren mit Brynjólfurs Monogramm gekennzeichnet – LL. Erst als Harald auftauchte, bekam ich eine Erklärung für diese merkwürdige Ausgabe des Hexenhammers. «
    »Und hat Harald davon erfahren?«, fragte Dóra. »Sie müssen es mir nicht erzählen, wenn Sie nicht wollen.«
    Gunnar beachtete sie gar nicht. »Narrenglück«, sagte er. »Ich würde es allerdings eher als Unglück bezeichnen. Harald kam nur nach Island, um nach diesem Manuskript zu suchen. Er vertiefte sich in alle möglichen Quellen, bis er einen Hinweis fand, den er für richtig hielt. Er war davon überzeugt, dass Jón Arason das Manuskript drucken wollte und versteckt hatte, als er an Macht verlor. Damals war mir überhaupt nicht klar, worauf Harald hinauswollte. Aber ich habe ihm keine Steine in den Weg gelegt. Er fuhr nach Skálholt, um die Gegend um den Hinrichtungsort zu untersuchen. Dort stieß er rein zufällig auf die richtige Spur – er erfuhr von Brynjólfurs Handschriftensammlung. Danach hat er alles über den Bischof gelesen, in der Hoffnung, etwas über den Verbleib der verschwundenen Handschriften zu erfahren. Erst als er zu mir kam, nachdem Bríet die Sache mit dem Brief aus dem Nationalarchiv herausbekommen hatte …«
    Er schaute zu Boden, dann wieder zu Dóra. »Natürlich habe ich den Brief behalten, nachdem mir bewusst geworden war, was ich da gefunden hatte. Ich befürchtete, er könne andere zu der Höhle führen – jemand hätte bezüglich des heiligen Kreuzes denselben Schluss ziehen können wie Sie. Das war ein schlimmer Fehler. Bríet machte keine Probleme mehr, aber dann kam Harald. Er hatte den Inhalt des Briefes herausbekommen. Er kam direkt zum Thema, sagte, er wüsste, dass ich Kramers Hexenhammer gefunden hätte, und dass er ihn haben wolle. Er hatte einen Aufsatz über die Papar-Höhlen aus meinem Büro entwendet – ein alter Aufsatz, den ich am Ende meines Forschungsurlaubs schreiben musste. Er war in einer Zeitschrift erschienen, die nicht mehr herausgegeben wird und auch nicht sehr verbreitet war. Ich war so dumm gewesen, ein Foto von der Grube, in der ich das Kästchen gefunden hatte, abbilden zu lassen. Ich hatte damals behauptet, es handele sich um eine alte Kochstelle. Niemand hatte diese Schlussfolgerung in Zweifel gezogen – ich glaube, es hat sowieso niemand den Aufsatz gelesen. Harald hat einfach nur zwei und zwei zusammengezählt. Und ich dachte, die Putzfrauen hätten den Aufsatz gestohlen.«
    Gunnar schwieg einen Moment. »Er wollte den Hexenhammer. Die anderen Bücher waren ihm egal, aber er musste dieses Buch haben. Dann wollte er es mir abkaufen. Er nannte eine unglaubliche Summe, viel mehr Geld, als ich jemals auf dem Schwarzmarkt dafür bekommen hätte. Anstatt es abzulehnen und ihn rauszuschmeißen, ließ ich mich darauf ein. Das Geld war verlockend. Zu dem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, wie bedeutsam das Manuskript wirklich war. Harald hat mir erst die ganze Geschichte erzählt, nachdem er mir das Geld gegeben hatte. Daraufhin habe ich meine Meinung geändert. Aber das konnte ich ihm natürlich nicht sagen.« Gunnar ächzte. »Sie verstehen das vielleicht nicht, aber wenn man sich sein ganzes Leben lang mit Geschichte beschäftigt hat, begeistert man sich instinktiv für historische Zeugnisse. Ich hatte eine einzigartige Kostbarkeit in den Händen. Völlig einzigartig.«
    »Sie haben Harald also umgebracht, um das Manuskript behalten zu können. Haben Sie nicht versucht, ihm das Geld zurückzugeben und ihn dazu zu bringen, die Sache rückgängig zu machen?«, fragte Dóra. »Er hätte vielleicht lieber ohne das Buch weitergelebt, anstatt zu sterben.«
    Gunnar lachte kraftlos. »Natürlich hab ich das versucht. Er hat mich ausgelacht und gesagt, ich könne froh sein, es mit ihm zu tun zu haben und nicht mit den Behörden. Er würde nicht zögern, mich zu verpfeifen, wenn ich ihn betrügen würde.« Gunnar stöhnte. »Ich hab ihn gesehen. Er radelte über die Suðurgata, als ich mit dem Auto nach Hause fuhr. Ich drehte um und erreichte ihn vorm Eingang. Er schmiss das Fahrrad auf die Seite und wir gingen zusammen ins Haus. Seine Hand war voller Blut; er hatte Nasenbluten gehabt. Ekelhaft.« Er schloss die Augen. »Harald benutzte seinen

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