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Das Letzte Ritual

Das Letzte Ritual

Titel: Das Letzte Ritual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardottir
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stand langsam auf und schob Dóra ruhig mit der Hand rückwärts in Richtung Tür. Er befürchtete anscheinend, Gunnar könne mit erhobener Krawatte über den Schreibtisch springen und Dóra erwürgen.
    »Sind Sie vollkommen verrückt geworden?«, fragte Gunnar und glotzte Dóra an. Er stand umständlich auf. »Wie kommen Sie darauf? Ich rate Ihnen, sich Hilfe zu suchen, und zwar so bald wie möglich.«
    »Das ist kein Unsinn – Sie haben ihn ermordet. Wir haben verschiedene Beweise dafür. Glauben Sie mir. Wenn die Polizei die in die Hände bekommt und Sie verhört, werden Sie sich nur schwerlich herausreden können.«
    »Das ist ausgeschlossen, ich habe ihn nicht ermordet.« Gunnar schaute Matthias nach Unterstützung suchend an.
    »Die Polizei möchte sich vielleicht anhören, wie Sie es abstreiten – wir jedoch nicht.« Matthias verzog keine Miene. »Die Fakultät wird sicherlich bei der weiteren Untersuchung behilflich sein. Bei einer Hausdurchsuchung tauchen bestimmt noch andere Hinweise auf, falls die Krawattennadel nicht ausreichen sollte.«
    Dóras Handy klingelte. Sie ließ Gunnar während des kurzen Telefonats nicht aus den Augen. Nervös verfolgte er das Gespräch, ohne den Zusammenhang zu verstehen. Dóra steckte das Handy wieder in ihre Tasche. »Das war die Polizei, Gunnar.«
    »Und?«, frage er. Sein Adamsapfel hüpfte auf und nieder.
    »Sie bitten mich, auf die Wache zu kommen. Sie haben bemerkenswerte Bewegungen auf Ihrem Konto festgestellt und möchten, dass Matthias und ich unseren Verdacht näher erläutern. Sieht ganz so aus, als hätte die Polizei es auf Sie abgesehen.« Sie verstummte und schaute ihn an.
    Gunnar blickte ratlos von einem zum anderen. Dann nahm er seine Krawatte in die Hand und starrte auf die Nadel. Mehrmals öffnete er den Mund, als wolle er etwas sagen. Schließlich ließ er niedergeschlagen den Kopf hängen. »Suchen Sie das Geld?«, fragte er stotternd. »Ich hab nicht viel davon ausgegeben.« Er schaute die beiden an, aber sie reagierten nicht. »Ich hab auch das Buch, möchte es aber ungern aus der Hand geben. Es gehört mir. Ich hab’s gefunden.« Er legte verzweifelt seine Hand auf die Stirn. »Ich besitze sonst nichts Einzigartiges, Unschätzbares. Harald besaß alles, zumindest genug Geld. Warum konnte er nicht etwas anderes begehren?«
    »Gunnar, ich glaube, wir sollten die Polizei anrufen«, sagte Dóra mit leiser, schmeichelnder Stimme. »Sie müssen uns nicht mehr erzählen – sparen Sie ihre Kräfte.« Sie sah, wie Matthias sein Handy herausholte. »Hundertzwölf«, sagte sie zu ihm. Gunnar beachtete sie nicht weiter. Matthias ging ein paar Schritte zur Seite, um zu telefonieren.
    »Während des Verhörs habe ich die ganze Zeit damit gerechnet, dass die Polizei mich des Mordes bezichtigt. Ich war davon überzeugt, dass sie mir etwas vorspielen, so tun, als wüssten sie nicht, dass ich ihn umgebracht habe. Dann stellte sich heraus, dass sie mich noch nicht mal in Verdacht hatten.« Er schaute auf und lächelte matt. »Ich hätte ihnen dieses Entsetzen, das mich ergriff, als mir die Leiche in die Arme fiel, unmöglich vorgaukeln können. Als ich die Leiche zum letzten Mal gesehen hatte, lag sie noch auf dem Fußboden im Studentenzimmer. Einen Moment lang dachte ich, Harald sei von den Toten wiederauferstanden, um sich an mir zu rächen. Sie müssen mir glauben, dass ich nichts mit den Augen gemacht habe. Ich hab ihn nur erwürgt.«
    »Das genügt ja auch«, sagte Dóra. »Aber warum? Weil er Ihnen das Manuskript des Hexenhammers abkaufen wollte? Hatten Sie es?«
    Gunnar nickte. »Ich hatte es in der Höhle gefunden. Während eines Forschungsaufenthaltes hatte ich mich mit den Papar beschäftigt. Der Bauer erlaubte mir, Ausgrabungen zu machen. Ich wollte Überreste finden, Beweise, dass die Papar diese Höhlen gebaut hatten. Sie waren vorher noch nie erforscht worden – das ist jetzt zwanzig Jahre her. Bis dahin war nur ein anderer Teil der Ægisíða-Höhlen untersucht worden. Bis zur Mitte des letzten Jahrhunderts wurde in den Höhlen ja noch Vieh untergebracht. Aber anstatt menschliche Überreste aus der Zeit vor der Landnahme zu finden, entdeckte ich ein kleines Kästchen. Es war beim Altar vergraben. Darin befanden sich dieses Manuskript und noch ein paar andere Dinge. Eine handgeschriebene dänische Bibel, ein Psalmenbuch und zwei außerordentlich schöne, naturwissenschaftliche norwegische Bücher.« Er schaute Dóra tief in die Augen. »Ich konnte nicht

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