Das letzte Sakrament
Ledercouch an. In dem Bungalow schien es kein Möbelstück zu geben, das nicht glänzte oder glitzerte. Neben funkelnden Edelsteinen beherrschten Gold, Silber und Bronze die Farbauswahl, ganz so, als habe Leuenberger-Seidler alle Medaillen der Olympischen Spiele einschmelzen lassen, um die Wohnung auszustatten.
»Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?«, fragte sie, stand auf und ging, ohne eine Antwort abzuwarten, zur Bar. »Einen Cognac, einen Sherry oder einen Scotch für die Dame und den Herrn?«
»Nein, danke, wir sind im Dienst«, entgegnete Zumstein. »Ein Wasser wäre aber nett.«
Frau Leuenberger-Seidler blickte den Kommissar mit hochgezogenen Augenbrauen an, ging in die Küche, kam mit zwei Gläsern Wasser wieder und stellte sie auf den Couchtisch. Mit deutlich mehr Begeisterung stolzierte sie zurück zur Bar, ließ die Finger über die Flaschen gleiten und schenkte sich einen doppelten Cognac ein. Ihre zahllosen Armreifen klimperten dabei, als wehe ein Orkan durch ein Windspiel.
»Was führt Sie denn zu mir?«, fragte sie endlich und nippte an ihrem Cognac.
»Wie Sie wissen, möchten wir uns schon eine geraume Zeit mit Ihnen unterhalten«, sagte Zumstein. »Wir haben noch einige Fragen zum Verhalten Ihres Mannes.« Er räusperte sich. »Und zu Ihrem eigenen inzwischen auch.«
»Zu meinem Verhalten?«
Kommissar Zumstein blickte sie ernst an. »Es ist sehr ungewöhnlich, dass die Frau eines Mordopfers sich einer Zusammenarbeit mit der Polizei so hartnäckig entzieht …«
»Wie bitte?«, unterbrach sie ihn schrill. »Ich stand unter Schock! Ich musste den Tod meines Mannes verarbeiten …«
»Das wissen wir.« Zumstein nahm das Wasserglas vom Tisch. »Was wir jedoch nicht wissen, ist, warum Sie bei unserem ersten Gespräch Ihren Kokainkonsum verschwiegen haben.«
Tamara Aerni, die gerade begonnen hatte zu trinken, verschluckte sich beinah. Staunend blickte sie Zumstein an, der Berner Kollege ließ die Bombe wohl gerne gleich am Anfang platzen.
»Wie bitte?« Frau Leuenberger-Seidler stellte ihr Cognacglas auf der Bar ab und stemmte die Hände in die Hüfte. Ihr Blick war so giftig wie Quecksilber, ihr Mund stand leicht offen, als warte sie nur darauf, zuzubeißen. »Ich … ich möchte mit meinem Anwalt sprechen!«, rief sie schließlich und fuhr sich durch das wasserstoffblonde Haar.
Zumstein ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Sie hatten Gelegenheit, Ihren Anwalt zu dem Gespräch hinzuzuziehen. Aber da Sie das nicht getan haben …«
»Da konnte ich ja nicht wissen, dass Sie mich mit solch haltlosen Vorwürfen belästigen würden!« Sie verschränkte trotzig die Arme vor der Brust.
»Wenn die Vorwürfe so haltlos sind, haben Sie ja sicher nichts gegen eine Blutprobe einzuwenden …«
»Das ist die Höhe!«, unterbrach sie ihn, nahm das Cognacglas und trank es mit einem Schluck leer. »Dass ich mir so was überhaupt anhören muss!«
Sie griff in die Tasche ihres Bademantels und holte eine Zigarette heraus. Mit einem goldenen Feuerzeug versuchte sie, den schmalen Todbringer anzuzünden, doch ihre Hände zitterten. »Scheiße!«, rief sie plötzlich und warf das Feuerzeug auf den Boden. Es rutschte über das Parkett und wurde erst von der Terrassentür gestoppt.
Frau Leuenberger-Seidler hob den Handrücken an die Stirn, seufzte affektiert und sackte so rasch zur Seite, als habe man ihr die Beine weggeschlagen.
46
Kommissar Pandera saß in einem Smart und kam sich sehr klein vor. Das Splendid Royal war eine Luxusherberge, die ein Kommissar wie er nur dann von innen sah, wenn dort eine Leiche lag. Roger Simovic hatte zwar wie eine ausgesehen, aber er war noch am Leben gewesen, als er am Morgen aus einem Taxi gestiegen war. Völlig übermüdet hatte der Reporter sich in das Hotel geschleppt.
Seitdem war eine Stunde vergangen. Der Kommissar überlegte, wie er an den Reporter herankommen sollte. Er wollte gerade aussteigen und zur Rezeption gehen, als er im Rückspiegel zwei breitschultrige Anzugträger auf sich zukommen sah. Hatten sie ihn entdeckt? Die Männer hielten zielstrebig auf seinen Mietwagen zu. Pandera gab Gas und schoss aus der Parklücke. Im Rückspiegel sah er, wie die beiden Männer sich umdrehten und zu einer schwarzen Limousine liefen, die ein paar Autos hinter ihm parkte.
Nach weniger als zweihundert Metern wurde Pandera von einer roten Ampel gestoppt. Er vermisste sein Blaulicht. Vier Wagen hinter ihm stoppte der Mercedes mit den beiden Gorillas. Endlich wurde es
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