Das letzte Sakrament
langsamer. Aus dem Gemurmel der Männer schloss er, dass sie am Ziel waren. Er hörte, wie eine Tür aufgeschlossen und geöffnet wurde. Simovic spürte die frische Luft, die durch den Türspalt drang, und wollte losgehen, doch der Wärter hinter ihm hielt ihn an der Schulter fest. »Wait!«
Anscheinend sondierte der zweite Wärter draußen die Lage. Simovic dachte wieder an seine Haare. Sie brauchten dringend eine Pflegespülung oder, noch besser, einen fachkundigen Friseur. Doch eins nach dem andern.
Die Tür öffnete sich ganz, der zweite Wärter kam offenbar zurück. »You can go now«, sagte er knapp und schloss die Handschellen auf.
Simovic riss sich die Augenbinde herunter, setzte sein Gewinnerlächeln auf, trat hinaus und sah … nichts.
Wo ist das Blitzlichtgewitter?
Er hörte, wie die Tür hinter ihm ins Schloss fiel und abgesperrt wurde.
Warum ist es so still?
Jetzt erst registrierte er, dass es stockdunkel war. Er rieb sich die Augen. Schemenhaft erkannte er vor sich einen schmalen Feldweg, in der Ferne schienen Häuser zu stehen. Aber es brannte kein Licht. Er drehte sich um. Nichts. Die verschlossene Stahltür war in einen Felsen eingelassen, dahinter schien sich ein bewaldeter Hügel zu erstrecken.
Keine Reporter, keine Kameras, keine Mikrofone. Die Wächter hatten ihn in die Einöde geführt.
Er fasste in seine Anzugtasche. Verdammt! Damit sein Portemonnaie nicht das Jackett ausbeulte, hatte er es vor der Sendung herausgenommen. Wie immer. Schließlich wollte er nicht zu dick aussehen. Aber ohne Portemonnaie hatte er nicht einmal ein paar Cent, um jemanden zu Hilfe zu rufen. Und sein Handy fehlte auch. Wie lange hatten sie ihn im Vatikan behalten? War es Sonntagnacht? Oder schon Montag?
Fluchend ging er in Richtung der Häuser und erreichte eine verlassene, unbeleuchtete Straße. Die Fensterläden an den Häusern waren zugeklappt. Er ging weiter, doch er erkannte nichts, woran er sich hätte orientieren können. Er drehte sich um, suchte nach einem anderen Weg, doch es gab nur diesen einen.
Er fühlte sich einsam, verlassen, ja, er fühlte sich, als habe man ihn vergessen. Ihn, den großen Starreporter Roger Simovic!
44
Kurt Sander schlug mit der Faust auf das Armaturenbrett. Er war jetzt das dritte Mal an derselben Stelle vorbeigekommen und hatte sich schon wieder verfahren. Außerdem bewegte sich die Temperaturanzeige des Mietwagens nur noch im roten Bereich, und aus der Kühlerhaube stieg Rauch auf. Aber das war nicht mal das Schlimmste! Nein, das Schlimmste war, dass er keine Ahnung hatte, wo er jetzt noch suchen sollte.
Die italienische Polizei und Alex Pandera hatten Wismuts Wohnung schnell ausfindig gemacht. Sie lag nahe der Engelsbrücke. So weit, so gut. Jetzt musste er sie nur noch finden, aber das war leichter gesagt als getan. In der Dunkelheit konnte er einfach nichts erkennen! War er, Hauptkommissar Kurt Sander a.D., inzwischen zu alt für den Job?
Die Zusammenarbeit mit den italienischen Kollegen war zwar gut, aber nicht so gut, dass für die Wohnung des Professors ein Durchsuchungsbefehl erlassen worden wäre. Also waren sie mal wieder auf sich allein gestellt. Das kennen wir ja aus Basel.
Um Wasser in den Kühler zu füllen, hielt Sander an einem Brunnen an. Und plötzlich sah er es. Das Straßenschild, nach dem er die ganze Zeit gesucht hatte. Die Wohnung war ganz in der Nähe. Jetzt nur noch schnell einparken, und dann kann es losgehen.
Eine Viertelstunde später kurvte er immer noch um den Block. Der Kühler dampfte schon wieder, und dieser hässliche und ausgesprochen riesige Fiat, den man ihm im Mietwagenverleih angedreht hatte, passte nirgendwo in eine Parklücke.
Als er schon weiter außerhalb parken wollte, fand er endlich eine Lücke, die groß genug war. Sie lag perfekt, schräg gegenüber befand sich der Eingang des Objektes, rechts ein Eiscafé und links eine Pizzeria. Schade, dass sie geschlossen hatten. Einen Teil seines Spesensatzes hätte er hier gerne angelegt.
Er war unsicher, ob er mit seiner Forderung nach Wiedergutmachung nicht übertrieben hatte. Alex Pandera war der Letzte, dem er Ärger mit dem Idioten Edeling wünschte.
Trotzdem fand er, dass er die Anerkennung verdient hatte. Erst recht, weil Gabriele ihm immer noch vorhielt, dass er bei seiner Kündigung keine Abfindung erhalten hatte. Als ob das nach dem Vorfall überhaupt möglich gewesen wäre! Diesmal würde er ihr zeigen, dass er sich sehr wohl gegen Edeling durchsetzen konnte.
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