Das letzte Theorem
stand ihm ins Gesicht geschrieben.
Dr. Ada Labrooy hatte einen freundlichen Ton angeschlagen, aber sie wirkte sehr ernst. »Du solltest dich hier nicht aufhalten, Ranjit. Es ist kein schöner Anblick.« Sie schaute auf eine Uhr und fügte hinzu: »Ich glaube, wir schaffen es gerade noch rechtzeitig, aber das Beste wird sein, du gehst jetzt und lässt uns in Ruhe arbeiten.«
Er widersprach nicht. Das Bild von seiner toten Frau, wie sie in dem mit Wasser gefüllten Tank schwebte, war ohnehin mehr, als er ertragen konnte. Während seiner langen und glücklichen Ehe mit ihr hatte er Myra oft nackt gesehen und ihren rosigen, gesunden Körper bewundert; doch wenn er ihren nun blau-violett angelaufenen Leib betrachtete, packte ihn das kalte Grausen.
Es kam ihm vor, als würde das Warten nie ein Ende nehmen. Eine Ewigkeit oder noch länger hockte er in einem Nebenraum, voller Angst und Bangen, zwischen Hoffnung und Verzweiflung schwankend. In sich zusammengesunken saß er da, den Blick ins Leere gerichtet. So traf Dr. Ada Labrooy ihn an, als sie geradezu beschwingt in das Zimmer hereinrauschte. Ihr Gesicht war vor Aufregung gerötet, und sie strahlte. »Alles wird gut werden, Ranjit«, erklärte sie und setzte sich neben ihn. »Wir konnten sämtliche Interfaces anbringen. Jetzt müssen wir nur noch warten, bis der Datentransfer abgeschlossen ist.«
»Heißt das, dass Myra gerade in den Speicher der Maschine übertragen wird?«, vergewisserte sich Ranjit. »Sollte nicht jemand bei ihr sein und den Vorgang überwachen?«
»Der Vorgang wird überwacht, Ranjit.« Sie hob die Hand und zeigte auf einen Computer, der am Handgelenk getragen
wurde. »Ich beaufsichtige und kontrolliere den Datenstrom. Weißt du, wir können uns glücklich schätzen, dass die Großen Galaktiker die Angewohnheit haben, ein paar Exemplare jeder Rasse, die sie vernichten wollen, vor dem großen Knall zu deponieren. Zur späteren Ansicht vielleicht oder als Musterstücke. Deshalb waren die Maschinenbewohner für diesen Job schon bestens gerüstet, ehe sie hier eintrafen. Sie standen sozusagen in den Startlöchern.«
Ranjit behagte die Wortwahl nicht. »Was soll das heißen, ›deponieren‹? Werden diese Menschen irgendwo eingelagert? In so etwas wie einer Urne oder einem Sarg?«
Ada schnaubte indigniert. »Wo hast du während der letzten Zeit gelebt, Ranjit? Siehst du dir nicht die Nachrichten an?« Missbilligend schüttelte sie den Kopf. »Entschuldige, aber mit derart kruden Methoden geben die Großen Galaktiker und ihre Handlanger sich doch nicht ab. Nein, die Menschen, die konserviert oder eingelagert werden - wie auch immer man es ausdrücken will -, führen nach diesem Deponierungsprozess dieselbe Existenz wie die Maschinenbewohner. Man könnte sie als Maschinen der zweiten Generation bezeichnen. Die erste Phase der Konservierung besteht darin, exakte Kopien von einer Spezies - in diesem Falle sind es die Menschen - anzufertigen, und sie als Musterstücke irgendwo zu verwahren. Phase zwei besteht darin, ihnen ein Leben innerhalb der Maschine zu geben - Moment mal!«, unterbrach sie sich, als ein leiser Signalton erklang. Während sie den Arm hob und ein paar Worte in den Computer an ihrem Handgelenk sprach, starrte sie mit sichtlicher Anspannung auf den Fernseher, der im Zimmer stand, und in dem gerade die Nachrichten liefen, wenn auch ohne Ton. Sekunden später verdunkelte sich der Bildschirm. Als er wieder hell wurde, setzte Ranjits Herz ein paar Takte aus, denn das Bild zeigte seine Frau. Aber nun dümpelte sie nicht mehr nackt und mit bläulicher Haut in einem Wassertank, sondern sie trug ihren Badeanzug und lag reglos auf einer Pritsche …
Nein, nicht regungslos. Sie öffnete die Augen. Ihre Miene spiegelte Verwirrung wider, aber auch waches Interesse, als sie nun die Hand hob, sie wie probeweise hin und her drehte und mit den Fingern wackelte.
»Jetzt siehst du sie in einer Umgebung, die sie für sich selbst simuliert hat«, erklärte Ada stolz. »Später wird sie lernen, sich jede beliebige Kulisse zu erschaffen.« Abermals flüsterte sie etwas in ihren winzigen Computer, und das Bild verschwand. »Was wir tun, gehört sich nicht, es ist ihr gegenüber nicht fair. Wir sollten sie nicht in ihrer Privatsphäre stören, solange sie noch nicht weiß, was los ist. Es wird eine Weile dauern, bis sie sich an diesen neuen Zustand gewöhnt hat. Ich denke, eine Tasse Tee könnten wir beide jetzt gut vertragen, Ranjit. Und während wir uns
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