Das letzte Theorem
neue Wege beschreiten. Deshalb wollte ich mit ihr sprechen. Sie behauptet, diese Wesen aus dem Weltall hätten ihr beigebracht, wie in Fällen wie dem meinen zu verfahren sei. Ich kann meinen Körper verlassen und als Computerprogramm weiterleben. Vor allen Dingen hätte ich dann keine Schmerzen mehr.« Er musste eine längere Pause einlegen, ehe er weitersprechen konnte. »Aber diese Form von Existenz fordert einen hohen Preis - und ich rede hier nicht von Geld, sondern von dem spirituellen Opfer, das ich bringen müsste. Der Weg zur Erlösung durch gute Werke - karma yoga - stünde mir wohl nicht mehr offen. Aber jnana yoga und bhakti yoga - der Weg der Weisheit und der Weg der Hingabe - wären eine Alternative. Soll ich euch verraten, was ich davon halte?«
Ranjit nickte energisch.
»Für mich klingt das wie Nirwana«, erklärte Surash. »Meine Seele hätte sich aus dem Kreislauf der Ewigkeiten gelöst.«
Ranjit räusperte sich. »Mein Vater sagte immer, dass jeder Mensch diesen Zustand anstrebt. Wünschst du dir denn nicht, ins Nirwana einzugehen?«
»Doch, ja, aus vollem Herzen! Aber angenommen, dies ist eine Täuschung. Ich kann Brahman nicht überlisten.«
Er verstummte und blickte Ranjit und Myra forschend an.
Ranjit runzelte die Stirn. Es war Myra, die das Wort ergriff. Sie legte eine Hand auf Surashs ausgezehrten Arm und erwiderte:
»Lieber Surash, wir wissen, dass du niemals aus niederen Motiven heraus handeln würdest. Du musst einfach das tun, was dir richtig erscheint. Und dann wird es auch der rechte Weg sein.«
Damit endete auch schon ihr Gespräch.
Als sie draußen waren, holte Ranjit tief Luft. »Ich wusste nicht, dass Ada schon so weit ist, einen Menschen in ein Computerprogramm zu verwandeln.«
»Ich hatte auch keine Ahnung«, gab Myra zu. »Als wir uns das letzte Mal unterhielten, erzählte sie mir, sie wolle demnächst eine weiße Ratte kopieren.«
Ranjit zuckte zusammen. »Und wenn Surash sich geirrt hat, wird er vielleicht als Ratte wiedergeboren werden.«
»Nun ja«, erwiderte Myra, »falls er überhaupt wiedergeboren wird - was seinem Glauben entspricht, aber ganz sicher nicht meinem -, wird er bestimmt als irgendein höheres Lebewesen auf die Welt kommen.«
Sie schwieg eine Weile, dann lächelte sie. »Komm, Ranjit, lass uns nachsehen, wie weit man mit der Renovierung unseres Hauses vorangekommen ist.«
Das Haus, das früher Ranjits Vater gehört hatte, war nach Myras Plänen von Grund auf renoviert worden, allerdings waren die Arbeiten immer noch nicht abgeschlossen. Die Wand zwischen zwei kleinen Räumen hatte man herausgebrochen und das große Zimmer, das entstanden war, sollte Ranjit und Myra zum Schlafen dienen. Es gab drei Badezimmer und eine Gästetoilette im Erdgeschoss. Doch nichts war komplett fertiggestellt, und überall lagen Berge von Kacheln, Rohrleitungen und anderem Material. Nachdem sie eine Zeit lang das Haus besichtigt hatten, fühlten sie sich staubig und erhitzt. Myra schlug vor: »Was hältst du davon, wenn wir kurz schwimmen gehen?«
Ranjit begeisterte sich sofort für die Idee. Zwanzig Minuten später radelten sie in Richtung des Swami-Felsens, in dessen
Nähe ein Floß im Meer verankert war. Unter ihrer Kleidung trugen sie bereits die Badekleidung.
Da das Wasser an dieser Stelle sehr schnell bis auf eine Tiefe von über hundert Metern abfiel, hatten sie ihre Tauchausrüstung mitgenommen. Die Pressluftflaschen, das Modernste, was auf dem Markt zu haben war, bestanden aus Kohlenstofffasern und hielten einem Druck von tausend Atmosphären stand. Ranjit und Myra hatten ursprünglich nicht vorgehabt, so tief zu tauchen, doch als sie erst einmal im Wasser waren, ließen sie sich zu einem ausgedehnteren Tauchgang als geplant verleiten.
Unter Wasser erstreckte sich ein Szenario, das die brutale Geschichte dieser Gegend in faszinierender Anschaulichkeit wiedergab. Vor fast vierhundert Jahren, als Trinco von portugiesischen Eindringlingen beherrscht wurde, hatte genau an dieser Stelle ein Schiffskapitän den ursprünglichen Tempel in einem Anfall religiösen Wahns dem Erdboden gleichmachen lassen. (Der Umstand, dass einer ihrer eigenen Vorfahren bei diesem Akt von sinnlosem Vandalismus dabei war, minderte Myras Interesse nicht im mindesten.) Und auch heute noch war der Meeresboden rings um den Swami-Felsen mit Bruchstücken der ehemaligen Tempelsäulen übersät.
Nachdem Ranjit und Myra sich bis auf den Grund hatten sinken lassen, hielten sie erst einmal
Weitere Kostenlose Bücher