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Das letzte Zeichen - Die Verschwundenen: Band 2 (German Edition)

Das letzte Zeichen - Die Verschwundenen: Band 2 (German Edition)

Titel: Das letzte Zeichen - Die Verschwundenen: Band 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gemma Malley
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seiner Mutter denken, als sie von der Sache mit Leona erfuhr. Er hatte sie nicht wiedererkannt; es war, als hätte sie sich in ein wildes Tier oder so etwas verwandelt.
    »Was soll‘s«, meinte er schließlich achselzuckend und wandte sich rasch ab. Er fühlte sich eingeengt und elend, er musste jetzt allein sein, um gegen eine Wand zu schlagen, um irgendjemanden zu schlagen. »Jedenfalls müssen wir uns jetzt keine Sorgen mehr machen, dass er auspackt«, sagte Devil schroff. »Okay?«
    »Okay«, erwiderte Nelson, aber Devil wusste nur zu gut, dass überhaupt nichts okay war.
    »Das ändert überhaupt nichts«, sagte er und wandte sich Nelson zu. Sein Blick war düsterer als sonst. Devil sah Nelson prüfend an. »Es ist nicht unsere Schuld. Das hat nichts mit uns zu tun, okay?« Nelson nickte, aber Devil sah ihm an, dass er nicht überzeugt war. »Der Junge war schwach, Nelson«, fügte Devil rasch hinzu. »Er kam nicht klar mit dem Leben. Aber wir kommen klar. Wir sind stark. Wir sind auf dem Weg nach oben, wir tun was. Die ganze Welt liegt uns zu Füßen, okay? Okay?«
    Nelson nickte wieder. »Die ganze Welt liegt uns zu Füßen«, wiederholte er.
    Devil klopfte ihm auf die Schulter. »Es war richtig, dass du es mir gesagt hast.«
    »Sollen wir ihn einfach da liegen lassen?«
    Devil überlegte hin und her: Sollten sie seiner Mutter Bescheid sagen oder die Polizei rufen? »Wir müssen von hier verschwinden«, sagte er schließlich. »Wenn die Bullen uns hier finden, bringen sie uns vor Gericht und stellen es so hin, als wenn es kein Unfall gewesen wäre. Geh nach Hause und schlaf ein bisschen. Wir reden später darüber, ja?«
    »Okay«, sagte Nelson und schob die Hände in die Taschen. »Bis später dann.«
    Nelson marschierte davon. Devil wusste, dass er dasselbe tun sollte, aber er konnte nicht. Noch nicht. Er konnte den Blick nicht von dem Jungen wenden. Es sah aus, als wäre er in einen Farbtopf gefallen. Komisch, dass Blut so rot war. Die meisten Farben hatten eine Bedeutung. Seine Mutter hatte ihm das in Hertfordshire beigebracht, als sie noch nicht arbeiten musste und sich nur um den Haushalt kümmerte. Damals hatte sie viel gelacht und ihn einfach mal so auf die Stirn geküsst. »Siehst du die Blume da?«, hatte sie gesagt. »Ihre Farbe leuchtet deshalb so, weil sie damit Bienen anlocken will, weißt du?«
    Sie hatte leuchtende Farben geliebt. Das Haus war voll davon. Teller mit Blumenmuster, Bilder an den Wänden, sogar das Sofa war leuchtend rosa. Sein Dad hatte einen Anfall bekommen, als er es das erste Mal sah. Eine Weile hatte Stille geherrscht, und es hatte so ausgesehen, als bekäme er einen seiner Wutausbrüche. Aber dann hatte er es mit Humor genommen und ihr erklärt, dass sie sich keine Sorgen machen müsste und dass es okay sei.
    Jetzt hatten sie ein beschissenes braunes Sofa, das Flecken hatte und das unbequem war.
    Inzwischen redete sie nicht mehr, sie saß nur da und starrte ins Leere, ohne sich darum zu kümmern, ob er überhaupt noch lebte.
    Sie war keine Siegerin. Sie war eine Verliererin. Sie hatte Leona verloren, seinen Dad und sich selbst.
    Devil musste sich regelrecht dazu zwingen, den Balkon zu verlassen, über den man zu den Wohnungen gelangte, und in den winzigen Raum zurückzukehren, den seine Mutter als Wohnzimmer bezeichnete, obwohl niemand hier in der Umgebung wusste, was damit gemeint war. Es war der Raum, wo sie auf dem Sofa saßen und Dosenspaghetti auf Toast aßen – aber nur an den Tagen, an denen sich seine Mutter die Mühe machte, irgendeine Mahlzeit zusammenzurühren. Devil fand seine Mum auf dem Sofa liegend vor; um ihre Augen lagen tiefe Schatten. Selbst im Schlaf sah sie erschöpft aus. Sie schlief immer auf dem Sofa; das Schlafzimmer war für Devil. Als sie einzogen, hatte sie ihm erklärt, dass er und Leona ein eigenes Zimmer bräuchten.
    Damals hatte er seine Mutter noch geliebt. Er hatte sich, seine Mum und Leona als Einheit betrachtet, als Team, das es auch ohne Dad schaffen würde.
    Aber das war schon lange her.
    Inzwischen gab es nur noch sie beide. Aber eigentlich gab es nur noch ihn. Denn an dem Tag, als man Leona fand, hatte seine Mum aufgehört zu existieren; allerdings nur psychisch, nicht physisch, denn dazu fehlte ihr der Mumm.
    Devil warf einen Blick auf sie, und ihm war klar, dass er hier nicht bleiben konnte. Er konnte sich jetzt nicht wieder schlafen legen. Er musste herumlaufen, Energie verbrennen. Wie man es auch drehte und wendete, ein

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