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Das letzte Zeichen - Die Verschwundenen: Band 2 (German Edition)

Das letzte Zeichen - Die Verschwundenen: Band 2 (German Edition)

Titel: Das letzte Zeichen - Die Verschwundenen: Band 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gemma Malley
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wie lange warst du da oben?«, fragte Evie tonlos.
    Raffy biss sich auf die Unterlippe.
    »Wie lange?«
    Raffy zuckte die Achseln. Er fühlte sich unbehaglich. »Ich … ich wollte nur wissen, was du so lernst.«
    »Ach wirklich?« Evie verschränkte die Arme. »Dann weißt du ja auch, über welches Buch wir heute gesprochen haben. Also, was hast du gelernt?«
    Raffy machte den Mund auf, brachte aber keinen Ton heraus.
    »Na sag schon, Raffy, was hast du heute gelernt?«
    Evie bekam wieder keine Antwort. Raffys Blick verfinsterte sich, wie immer, wenn er sich in die Enge getrieben fühlte. Normalerweise nahm sie dann seine Hand, beruhigte ihn und redete ihm seine Wut aus. Seit sie in die Siedlung gekommen waren, hatte sie das viele Male getan. Aber jetzt nicht. Jetzt hatte Evie keine Lust, Raffy zu beruhigen. Er hatte eine Grenze überschritten und Evie bebte vor Zorn.
    »Früher hast du das System gehasst«, sagte sie mit leiser Stimme. »Und jetzt verhältst du dich genauso. Du würdest mich am liebsten jeden Tag zu Hause festhalten, so wie meine falschen Eltern. Aber das kannst du nicht, Raffy. Das lasse ich nicht zu.«
    Evie wandte sich ab. Sie hatte Tränen in den Augen, Tränen, die Raffy nicht sehen sollte, weil er sie sofort in den Arm genommen hätte, um sie zu trösten, aber sie wollte nicht getröstet werden, nicht von ihm. Sie wollte, dass er ihr vertraute und sie ihr eigenes Leben führen ließ.
    »Wo gehst du hin?«, rief Raffy ihr nach. »Wo gehst du hin?«
    Seine Stimme klang gequält. Evie wusste, dass er ihr nachschauen würde, verzweifelt und unglücklich. Trotzdem ging sie weiter. Weil es seine Schuld war. Das würde ihm eine Lehre sein. Denn wenn sie blieb, würde alles noch schlimmer. Wenn sie nicht weiterging, bis sie weit genug von Raffy entfernt war, würde sie vielleicht etwas sagen, was sie hinterher bereute.

16
    L ucas versuchte, den Tee und den Kuchen zu genießen, den Linus ihm hingestellt hatte. Und er versuchte, dem Drang zu widerstehen, aufzuspringen und ungeduldig auf und ab zu gehen. Er hatte von Linus gelernt, dass es keinen Zweck hatte, überstürzt zu handeln. Und deshalb erzählte er Linus einfach alles, was er wusste. Linus hörte aufmerksam zu.
    Als Lucas geendet hatte, schaute Linus auf.
    »Wir hätten diesen Bastard töten sollen.«
    Lucas schnitt eine Grimasse. »Den Bruder?«
    Linus nickte. »Wen sonst?«
    »Was weißt du über die Spitzel?«, fragte Lucas. »Was sind das für Leute? Warum interessieren sie sich so für das System?«
    Linus hob eine Augenbraue und auf seiner Stirn zeigten sich tiefe Falten. Er hatte ein wettergegerbtes Gesicht, ein Gesicht, das vom Leben gezeichnet war. Wenn er lächelte, vertieften sich die Falten um seine Augen und gingen ineinander über, sodass es aussah, als würden sie sich in immer kleiner werdenden Kreisen über sein Gesicht ziehen. »Das ist eine gute Frage«, sagte er.
    Lucas gab sich alle Mühe, seine Enttäuschung darüber zu verbergen, dass Linus in den Monaten, die er hier in der Höhle zugebracht und in denen er offenbar die Spitzel überwacht hatte, um ihre Spur zu verfolgen, anscheinend keinerlei Anhaltspunkte gefunden hatte, was sie in der Stadt machten. Aber jetzt in die Offensive zu gehen wäre sinnlos. Er musste Martha glauben, dass Linus wusste, was er tat, und er musste seinem Vater glauben, dass man Linus vertrauen konnte. Trotzdem musste er sichergehen, dass Linus tatsächlich begriff, was vor sich ging.
    »Die Stadt ist nicht mehr wiederzuerkennen«, sagte Lucas mit leiser Stimme. »Ganze Familien ziehen nach Einbruch der Dunkelheit durch die Straßen, um denjenigen zu finden, der das getan hat. Und sie werfen mir vor, dass ich das Systems aufgelöst habe. Und allmählich werfe ich es mir selbst vor. Ich habe sie nicht beschützt. Wenn das System noch in Kraft wäre …«
    »Lass dich nicht so gehen«, meinte Linus abweisend. »Das System ist nicht dein Problem. Wir haben es hier mit bösen Jungs zu tun, die schlimme Dinge machen. Hör auf, dir um deine Führungsposition Sorgen zu machen, und überlegen wir lieber, wie wir sie aufhalten und wie wir es schaffen können, dass sie für ihre Taten bestraft werden. Klingt das gut?«
    Linus sah Lucas direkt in die Augen und Lucas nickte. Es hatte keinen Sinn zu versuchen, Linus zu beeinflussen. Genauso gut hätte man gegen eine Wand reden können.
    »Okay«, sagte Linus. »Komisch, anscheinend neigen die Guten immer dazu, sich selbst die Schuld zu geben, während die

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