Das letzte Zeichen (German Edition)
Lucas teilnahmslos.
»Nein, nein, natürlich nicht …«, stieß Evie schuldbewusst hervor und wurde rot.
Ihre Augen trafen sich, und sie hielt Lucas’ Blick ein paar Sekunden lang stand, dann konnte sie es nicht mehr ertragen und musste wieder wegsehen.
»Ich habe heute Nachmittag mit deinem Vater gesprochen«, sagte er, und Evie spürte, wie ihr das Blut aus dem Gesicht wich.
»Mit meinem … Vater?«
Lucas nickte. »Ich sagte, ich würde dich heute Abend besuchen. Wenn es genehm ist.«
Evie schaute ihn unsicher an. »Mich besuchen?«
»Ist schon eine ganze Weile her«, sagte Lucas gleichmütig, und seine Miene ließ keinerlei Regung erkennen.
»Dann sehen wir uns später«, brachte Evie heraus und ging langsam Richtung Tür. Sie zögerte einen Augenblick, doch dann ließ sie die Tür zu. Sie öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch dann wurde ihr klar, dass es nichts zu sagen gab. Er hatte beschlossen, ihren Eltern heute Abend alles zu erzählen, und daran konnte sie nichts ändern. Also verließ sie den Laden und ging nach Hause und wartete.
7
» L ucas, wie schön, dich zu sehen.« Evie und ihre Eltern waren mit dem Abendessen fertig und saßen nun seit zwanzig Minuten gekünstelt am Tisch und warteten, da Lucas ausdrücklich zum Kaffee nach dem Abendessen eingeladen worden war. Der wurde abendlichen Gästen in der Stadt immer am Küchentisch serviert, und wenn sie in ein anderes Zimmer gegangen wären, hätte das Lucas’ Aufmerksamkeit nur darauf gelenkt, dass er später erschienen war als vereinbart.
Evie sah auf, als ihr Vater Lucas in die Küche führte. Sie hatte kaum mehr als ein paar Bissen herunterbekommen und vergeblich gehofft, dass er nicht kommen würde, dass ihm etwas dazwischengekommen war, dass er einen Grund finden würde, um wegzubleiben. Aber er war hier. Sie zwang sich zu einem Lächeln und rückte widerstrebend mit ihrem Stuhl nach links, wie ihre Mutter ihr bedeutete, und Lucas setzte sich neben sie.
»Und wie geht es allen so?«, fragte er und blickte in die Runde.
»Uns geht es sehr gut, danke der Nachfrage«, antwortete Evies Mutter schnell. »Möchten Sie Kaffee? Er ist ganz frisch aufgebrüht.«
Ohne eine Antwort abzuwarten, sprang sie auf, brachte geschäftig den Kaffee für Lucas, holte noch einen Keks für ihn und fragte, ob er den Apfelkuchen probieren wollte, den sie zum Nachtisch gehabt hatten. Evie hatte den Ausdruck in den Augen ihrer Mutter nicht vergessen, als die Nachricht von ihrer Verbindung mit Lucas verkündet worden war. Der Bruder war zu Evies Eltern gekommen und hatte darüber gesprochen, dass Lucas interessiert sei, ihre Tochter zu heiraten. Evie war natürlich nicht im Zimmer gewesen, sie hatte durch eine Ritze in der Tür gespäht und gelauscht, als über ihr Schicksal entschieden wurde. Die Augen der Mutter hatten aufgeleuchtet, aber nicht vor Erregung oder vor Freude, sondern vor Erleichterung, denn dann wäre sie nicht mehr verantwortlich für Evie. Zumindest deutete Evie es so. Ihr Vater war nüchterner gewesen, hatte mehr Fragen gestellt und die Antworten mit nachdenklichem Nicken bedacht. Von ihm kam auch der Vorschlag, Evie doch selbst zu fragen – natürlich nur aus Höflichkeit. Evie wusste, dass sie Ja sagen würde; sie wusste, dass sie keine Wahl hatte, aber es war trotzdem nett, dass man sie gefragt hatte. Es war nett, ihr den Eindruck zu vermitteln, dass sie irgendwie an der Entscheidung beteiligt war und nicht bloß ein Gegenstand, der herumgereicht wurde.
Lucas lehnte den Keks und den Nachtisch ab und trank seinen Kaffee schwarz. Ohne Zucker. Evie sah zu, wie er ihn trank; das heiße Getränk schien seinen Lippen nichts auszumachen, obwohl die Tasse immer noch dampfte. War er ganz und gar gefühllos?, fragte sie sich. Kamen Gefühle bei ihm einfach nicht vor? Vielleicht war er ja aus Holz. Vielleicht war er ja tatsächlich eine Maschine hinter der menschlichen Fassade. Am Nachmittag hatte sie in Lucas noch etwas ganz anderes gesehen. Das passte nicht zusammen, das verstand sie nicht recht. Doch jetzt wusste sie, dass sie sich getäuscht hatte. Er hatte den Kampf nur abgebrochen, weil er die Betrachtungen des Großen Anführers ganz präzise befolgte. Ganz logisch. Er fühlte nicht mit Mr Bridges, und er empfand auch keinen Hass gegen die Männer, die diesem so zugesetzt hatten. Er konnte ihre Wut und ihre Angst einfach nicht verstehen, weil er solche Gefühle selbst überhaupt nicht kannte.
»Und wie geht es Ihnen, Lucas?«,
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