Das letzte Zeichen (German Edition)
dir. Es tut mir leid, Evie. Es tut mir so leid.«
Evie lächelte unter Tränen. »Mir tut es auch leid«, brachte sie heraus. »Mir tut es auch leid.«
Er küsste sie zärtlich. »Wir haben uns, und das ist alles, was zählt. Richtig?«
Evie sah ihn an, den Jungen, den sie schon so lange liebte, ihren besten Freund, ihren Vertrauten, und sie nickte. Doch während Raffy sie noch einmal an sich zog, gingen ihr Bilder von Lucas durch den Kopf, Bilder von dem Schmerz in seinen Augen und von der Verzweiflung in seinem Gesicht, und sie drängte diese Gedanken weg und vergrub ihr schlechtes Gewissen tief in ihrem Herzen.
»Na, dann los«, meinte Raffy und lächelte sie an. »Es wird schon dunkel. Höchste Zeit, dass wir loskommen.«
Sie traten aus der Höhle wieder hinaus in die schaurige, vergessene Landschaft. Sie liefen los, dann gingen sie ein Stück, um wieder zu Atem zu kommen, dann rannten sie wieder über rissige, staubtrockene Erde, durch Lagerhallen ohne Dach und über gestampfte Pfade, die einmal Straßen und Gehsteige gewesen sein mussten.
»Warte«, rief Evie. Sie blieb stehen, bückte sich und zog etwas aus der Erde.
»Was ist das?«, fragte Raffy.
»Ein Spielzeug.« Sie drehte es in den Händen. Eine perfekt nachgebildete Babypuppe, ein Mädchen, aus Plastik, ein Stoff, den es innerhalb der Stadtmauer nur ganz selten gab. Nur Dinge von früher waren aus Plastik, und sie wurden verachtet, weil es die Dinge der Bösen waren. In der Stadt wurde kein Plastik hergestellt; nur neue, in der Stadt hergestellte Gegenstände waren gut, weil das die Industrie und Produktivität förderte und alles, was die Stadt so wunderbar machte. Während sie die Puppe betrachtete, konnte Evie förmlich den Hohn des Bruders hören, und ihre Mutter, wie sie sich darüber lustig machte, über das Spielzeug des Bösen, und zu ihr sagte, es werde sie verderben. Spielzeug war nicht erlaubt in der Stadt; was sie an Spielzeug gesehen hatte, stammte aus der Alten Welt, wo es so etwas ab und zu gab. Man spielte gelegentlich darauf und spielte damit, bis es einem von einem Lehrer oder von den besorgten Eltern weggenommen wurde. Aber sie war nicht mehr in der Stadt.
»Ich behalte es«, sagte Evie.
»Im Ernst?« Raffy verzog ungläubig das Gesicht. »Es ist schmutzig. Und es ist ein Kinderspielzeug.«
»Ich war auch einmal ein Kind … früher«, sagte Evie leise. »Es sollte hier nicht so verlassen liegen bleiben.«
»Also wenn du es wirklich behalten willst, dann stecke ich es in den Rucksack«, sagte Raffy, dann hielt er inne, weil sie etwas gehört hatten. Ein Rascheln.
Erschrocken sahen sie sich an. Weit und breit war niemand zu sehen, aber sie konnten dennoch in Gefahr sein.
»Gehen wir«, flüsterte Raffy, und sie gingen weiter, so leise sie konnten. Evie wagte kaum zu atmen und zwang sich, so leicht wie möglich aufzutreten.
Sie liefen weiter und bald kam vor ihnen ein Waldstück in Sicht. Raffy zog sie an der Hand dorthin und keuchte: »Komm, hier hinein.« Sie rannten zwischen den Bäumen hindurch, und Evie kam aus dem Staunen nicht mehr he raus, so groß und majestätisch waren diese Bäume, viel größer, als sie sich je hätte vorstellen können, fast so als könnten sie bis zum Mond hinaufreichen mit ihren Ästen. Gewaltige Stämme wuchsen aus dem dicht mit Gebüsch bestandenen Boden. Dornen verhakten sich an ihren Knöcheln und bohrten sich ins Fleisch, aber sie nahm den Schmerz kaum wahr. So groß war ihr Erstaunen über diesen verwilderten, geheimnisvollen Ort, der von einer Macht kündete, wie die Stadt sie nie erlangen würde. Sie liefen tiefer hinein, bis sie nicht mehr weiterkonnten und nur noch das sanfte Gesäusel des Windes in den Blättern hörten.
»Okay«, sagte Raffy und stützte die Arme auf die Knie, um wieder zu Atem zu kommen. »Wir sollten hierbleiben.«
»Glaubst du, das war die Polizeigarde?«, fragte Evie.
Raffy schüttelte den Kopf, aber sie konnte die Furcht in seinem Blick sehen. »Vielleicht war da gar nichts.« Er war offensichtlich bemüht, locker und zuversichtlich zu klingen. »Aber wenn es die Polizeigarde war, dann ist das der beste Platz, um uns zu verstecken. Wenn es sein muss, können wir sogar auf einen Baum klettern.«
Evie nickte verhalten. »Und wenn es nicht die Polizeigarde war?«
Raffy blickte ihr in die Augen. Sie wussten beide, dass die andere Möglichkeit mindestens genauso grauenerregend war: die Bösen.
»Ich glaube nicht, dass da jemand war«, meinte Raffy mit
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