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Das letzte Zeichen (German Edition)

Das letzte Zeichen (German Edition)

Titel: Das letzte Zeichen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gemma Malley
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fest. Evie blieb ganz ruhig stehen. Sie wusste, wann ein Kampf nicht zu gewinnen war. »Warum lasst ihr uns nicht gehen?«
    Linus zuckte mit den Schultern. »Weil ich deinem Vater vor langer Zeit ein Versprechen gegeben habe«, sagte er. »Und ein Versprechen breche ich nicht. Sie sind das letzte Bollwerk der Zivilisation; wenn wir sie nicht halten, sind wir verloren.«
    »Mein … Vater?«, fragte Raffy, und seine Worte waren kaum zu hören. »Wie meinst du das? Du kennst meinen Vater nicht. Du …«
    »Du weißt nicht, was ich weiß«, sagte Linus unbewegt. »So, ich gehe jetzt wieder schlafen und ihr auch. Versucht, ein bisschen zu schlafen. Wir haben morgen ein ziemliches Stück zu gehen. Und stört uns nicht wieder.«
    Bevor Raffy noch auf Antworten dringen konnte, verschwand Linus wieder im Zelt. Angel gab ihnen ein Zeichen, sie sollten ebenfalls wieder hineingehen. Also stolperten sie zurück zu ihren Schlafsäcken und ließen sich zu Boden sinken. Sie sprachen kein Wort, aber Evie schob sich ein Stückchen weiter vor, bis ihre Stirn an Raffys Rücken lag. So konnte er sie spüren und wusste, dass sie da war, dass sie ihn verstand oder dass sie es zumindest versuchte. Und Raffy rutschte rückwärts, bis er mit dem Rücken an ihrem Bauch lag, sodass er sie wärmte wie eine Decke. Und so, mit aneinandergeschmiegten Körpern, blieben sie liegen, bis der Morgen kam.
    »Los. Schnell.« Evie schreckte aus dem Schlaf hoch, als George sie durch die Schlafsäcke mit dem Fuß anstieß. Er sah, dass sie die Augen geöffnet hatte, und trat zurück. »Linus sagt, wir brechen in fünf Minuten auf.« Er zuckte die Achseln und ging wieder. Augenblicklich stemmte Raffy sich hoch. Er sah aus, als hätte er nicht geschlafen, obwohl seine tiefen gleichmäßigen Atemzüge Evie die ganze Nacht über begleitet hatten. Er hatte dunkle Ringe um die Augen, die noch dunkler und gequälter wirkten als sonst.
    Er sprach nicht über Linus oder über das, was dieser in der Nacht gesagt hatte. Er stand nur auf und packte die Schlafsäcke zusammen. Bis sie zum Aufbruch bereit waren, hatten die anderen das Zelt um sie herum schon abgebaut. Martha gab jedem noch einen Ranken Brot und etwas Wasser, dann mussten sie aufbrechen. Raffy und Evie hatten kein einziges Wort gewechselt. Immer wieder blickte Evie zu ihm hin, doch sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Raffy verfolgte Linus mit den Augen wie ein Falke, mal verstohlen, dann wieder ganz offen, während sie sich durch öde Landstriche langsam auf den Ort zubewegten, vor dem er sich fürchtete und vor dem er doch hatte fliehen wollen.
    Zu Mittag, als die Sonne am heißesten brannte, machten sie unter einer kleinen Baumgruppe für eine knappe Stunde Rast. Dann ging es weiter, Martha mit Linus an der Spitze, Angel am Schluss, und George und Al direkt vor Evie und Raffy.
    Es war schon kurz vor Sonnenuntergang, als Evie in der Ferne etwas entdeckte. Einen Hügel, einen großen Hügel, der nicht mit Bäumen bestanden war, sondern mit … Sie kniff die Augen zusammen und zupfte Raffy am Ärmel. Mit Zelten. Mit Gerüsten. Raffy folgte ihrem Blick und blieb unvermittelt stehen, sodass Angel von hinten in ihn hineinlief. Der Mann fluchte, dann sah er, worauf Raffy starrte, und grinste. »Daheim«, rief er aus. »Endlich daheim.«
    Er trieb Raffy an, weiterzugehen, und dieser setzte sich nach einer kurzen Pause wieder in Bewegung. Evie warf ihm ständig besorgte Blicke zu, aber je näher sie kamen, desto weniger erregt schien Raffy zu sein.
    »Es gibt keine Mauer«, bemerkte er stirnrunzelnd, als sie sich Base Camp näherten. Es war ein passender Name, fand Evie – denn es war keine Stadt; die Aufbauten waren alle nur provisorisch. Und es lag ein Stück hügelaufwärts.
    »Wir brauchen keine Mauer.« Linus wandte sich um und sah Raffy und Evie zum ersten Mal an diesem Tag mit seinem nun schon vertrauten Grinsen an. »Die natürliche Lage und die Wachtürme sind unser Schutz und wir sperren unsere Leute nicht ein. Das ist nicht unsere Art.«
    Schweigend marschierten sie am ersten Wachturm vorbei und in das Lager. Überall liefen Menschen in Overalls herum, mit ernsten Gesichtern, auf denen sich ein Grinsen ausbreitete, als sie Linus erkannten. Sie hatten seltsame Begrüßungsrituale, die Evie noch nie gesehen hatte, sie klatschten die Hände zusammen und schlugen sich gegenseitig auf den Rücken. Sie wappnete sich, aber niemand klatschte gegen ihre Hand oder schlug ihr auf den Rücken; das taten sie

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