Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das letzte Zeichen (German Edition)

Das letzte Zeichen (German Edition)

Titel: Das letzte Zeichen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gemma Malley
Vom Netzwerk:
bestätigte Linus. »So was Ähnliches. Eigentlich eher Kameraden. Wir hatten beide einen Traum, eine Vorstellung, wie die Dinge sein sollten.«
    »Was war Ihr Traum?«, fragte Evie atemlos. »Derselbe wie der des Großen Anführers?«
    »Nein.« Linus schüttelte den Kopf. »Aber …« Er atmete tief durch. »Wollt ihr meine Idee sehen?«
    Beide nickten.
    »Gut. Dann kommt mit.«
    Er sprang leichtfüßig auf und ging aus dem Raum. Evie und Raffy wechselten einen Blick und folgten ihm über den Hof, wieder vorbei an dem Zelt mit den Bösen und über einen zweiten Hof in ein bewachtes Gebäude. Er führte sie durch die Tür und über einen Korridor bis in einen riesigen Raum voller Computer.
    Raffy blickte sich ehrfürchtig um, während Evie eher unsicher dreinblickte. Es war warm und überall summten und brummten die Computer.
    »Ihr habt so viele«, wunderte sie sich. »Wie habt ihr die alle hierher bekommen?«
    »Das sind meine Babys«, sagte Linus mit einem Ausdruck voller Zuneigung, ja fast Liebe, und seine Augen leuchteten. »Meine Idee war ein System. Ein System, das die Welt besser machen konnte, geordneter, zu einem Ort, wo niemand mehr ein Verlangen nach etwas hatte, weil das System das Verlangen schon vorweggenommen hat. Wo niemand hungerte oder in der Schule schlecht abschnitt, wo niemand unterdrückt wurde, und wo jeder den Partner fand, den das Schicksal ihm bestimmt hat. Durch das System.«
    »Du meinst … so wie das System in der Stadt?«, fragte Evie voller Zweifel.
    Linus seufzte und sein Blick verdüsterte sich. »So hätte das System der Stadt sein sollen. Das System, das ich entworfen habe. Das ich aufgebaut und eingerichtet habe.«
    »Sie haben das System aufgebaut«, fragte Raffy ungläubig.
    »Ich habe es aufgebaut«, bestätigte Linus. »Und ich bedauere das zutiefst. Ich …« Er seufzte. »Ich werde mir das nie verzeihen.«
    Raffy ging näher an die Geräte heran. »Darf ich?«
    »Natürlich«, sagte Linus.
    Raffy ging an den ersten Computer, legte die Hände auf die Tastatur und fing an zu tippen. In der Anzeige erschienen Datenfelder, Reihen von Buchstaben und Zahlen, die Evie nichts sagten.
    »Das ist Ihr System?«, fragte Raffy.
    Linus nickte, und zum ersten Mal schien er selbst angespannt, ja besorgt zu sein, fast so als hätte er Angst vor irgendetwas.
    »Wow«, sagte Raffy leise. »Das ist … das ist unglaublich.«
    Linus grinste, und mit einem Mal sah er fast aus wie ein kleiner Junge, trotz der vielen Falten, die sein Gesicht durchzogen. Und Evie erkannte, dass es nicht Angst gewesen war. Linus wollte Raffys Anerkennung, deshalb die aufeinandergepressten Kiefer und die gerunzelte Stirn.
    »Was macht es?«, fragte sie.
    Raffy drehte sich um und zog einen Stuhl heran. »Siehst du diese Codes? Jeder steht für einen Menschen und ist verlinkt mit Bedürfnissen, Sehnsüchten, ersten Grades, zweiten Grades und so weiter … alles geordnet nach Priorität und dann in Beziehung gesetzt zu den Ressourcen der Gemeinschaft, zur Zeit der Leute … Es ist unglaublich«, wiederholte er.
    »Manches ist ganz gut gelungen«, meinte Linus bescheiden.
    »Aber …« Raffy drehte sich auf dem Stuhl herum. »Warum gibt es hier keine Ränge? Wenn Sie doch das System der Stadt aufgebaut haben?«
    »Ich habe das ursprüngliche System aufgebaut«, erklärte Linus, und sein Mund zuckte nervös. »Nicht das System, das es heute gibt. Ich habe kein System aufgebaut, das die Menschen kennzeichnet oder das sie bestraft oder das …« Er blickte zu Boden. »Das System, das ich entworfen habe, ist nicht das, das es in eurer Stadt gibt. Das wurde später aufgebaut, von anderen Leuten. Nach meinem Vorbild. So ist das manchmal mit Träumen, wisst ihr – sie werden leicht verzerrt. Keiner träumt denselben Traum, und wenn Träume Wirklichkeit werden, dann sind sie nie das, was man erwartet hat, nie das, was man erhofft hat.«
    Er wandte sich ab. Evie stand auf und trat neben ihn.
    »Und was ist mit dem Traum des Großen Anführers? Der wurde doch nicht verzerrt, oder?«
    »Nicht verzerrt?« Linus sah sie an und schüttelte traurig den Kopf. »Ihr wisst wirklich gar nichts, oder?«
    Evie legte die Stirn in Falten und verschränkte abwehrend die Arme vor der Brust. Allmählich hatte sie genug von Linus’ verschlungenen Geschichten, die nie das brachten, was er versprochen hatte. »Doch. Wir wissen eine ganze Menge. Und wenn wir nicht alles wissen, dann liegt das daran, dass Sie es uns nicht erzählen wollen.«
    Linus

Weitere Kostenlose Bücher