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Das Leuchten der Insel

Das Leuchten der Insel

Titel: Das Leuchten der Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen McCleary
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Schweigen füllte den Raum zwischen ihnen und wuchs an, bis Betty den Eindruck hatte, es fast mit Händen greifen zu können.
    »Das denkst du also«, sagte Betty schließlich tonlos. Sie verehrte Bobbie, deren ruhiger Optimismus ihr immer Halt gegeben hatte. Bobbies Schweigen schmerzte sie.
    »Er liebt dich, Bets, das glaube ich wirklich. Ich hätte dich ihn nicht heiraten lassen, wenn dem nicht so wäre. Aber er ist jemand, der Abenteuer und Abwechslung braucht. Er wird nicht glücklich sein, wenn er für den Rest seines Lebens von neun bis fünf in einem Büro arbeitet und dann nach Hause kommt auf den Queen Anne Hill, um von einem Haufen Kinder erwartet zu werden. Also musst du dir überlegen, wie du etwas von dem bekommst, was du willst – etwa eine große Familie –, und ihm zugleich etwas von dem gibst, was er will.«
    Betty sagte nichts, sondern ließ sich Bobbies Worte in den nächsten Wochen wieder und wieder durch den Kopf gehen. Bill war in jener Nacht betrunken nach Hause gekommen und hatte sich am nächsten Morgen entschuldigt. »Er ist jemand, der Abenteuer und Abwechslung braucht.« Betty sah, wie schwer es ihm fiel, unter der Woche frühmorgens aufzustehen, und wie er noch lange, nachdem der Wecker geklingelt hatte, flach auf dem Rücken liegen blieb und, die Hände auf der Brust, an die Decke starrte, bis er sich mit einem tiefen Seufzer zur Seite rollte und aufstand. Sie spürte die schlechte Stimmung, die ihn sonntagabends ergriff, und bemerkte die Tonlosigkeit in seiner Stimme, wenn er von seiner Arbeit berichtete.
    Sie hatten darüber gesprochen. Er wollte, er brauchte mehr. Sie hatten sich über geeignete Tätigkeiten für ihn unterhalten. Förster? Angeltourenführer? Bill kam wieder und wieder auf das Bewirtschaften eines Gehöfts in Alaska zurück. Betty konnte sich nicht vorstellen, wie das funktionieren sollte: Zusätzlich zu Bills Arbeit auf dem Stützpunkt würden sie sich ein Haus bauen und ihr Land bestellen müssen. Das schien unmöglich. Aber sobald sie über Möglichkeiten für ihn sprachen, Boeing oder Seattle zu verlassen, veränderte sich Bills gesamter Gesichtsausdruck. Sein Lächeln wurde breiter, die tiefe senkrechte Falte zwischen seinen Brauen schwächte sich ab, seine verkrampften Kiefermuskeln entspannten sich. Sie konnte nicht seine Hoffnung töten.
    Er war ihr dankbar, dass sie darüber nachdachte, und brachte ihr unerwartet Blumen mit, manchmal zweimal die Woche. Sie liebten sich häufiger als je zuvor und blieben danach noch im Bett, während Bill die Umrisse eines Blockhauses auf ein Blatt Papier zeichnete oder Bücher über Landwirtschaft las.
    »Vielleicht in zwei Jahren«, sagte er. »Wir könnten zwei Jahre lang so viel wie möglich sparen, dann hätten wir etwas für den Anfang, sobald wir umziehen.«
    Betty stimmte nie zu, aber sie sagte auch nie nein. Als sie im nächsten Frühjahr feststellte, dass sie wieder schwanger war, wartete sie drei Monate, bevor sie es ihm erzählte, weil sie sicher sein wollte, dass sie nicht wieder eine Fehlgeburt haben und ihr dieses Kind bleiben würde. Sie sah, wie die Hoffnung in seinem Gesicht erstarb, sobald sie die Worte ausgesprochen hatte.
    »Wir könnten immer noch umziehen«, sagte sie. »Wir müssen nur warten, bis das Baby gekommen ist.«
    »Und dann müssen wir warten, bis das Baby älter ist«, meinte Bill.
    Betty sah, was er sah: wie sich die Zukunft entfaltete und sich der Griff von Verantwortung und Pflicht und Routine gnadenlos immer fester um sie legte.
    Er versuchte zu lächeln: »Es ist schön mit dem Baby. Sagt der Arzt, dass alles mit dir in Ordnung ist?«
    »Der Arzt sagt, dass es mir gut geht. Ich bin über den Zeitpunkt hinweg, bis zu dem ich eine Fehlgeburt hätte haben können.«
    »Das ist gut.«
    Später an jenem Abend nahm er seinen Hut und Mantel und ging spazieren. Sie nahm an, dass er etwas trinken gehen würde, aber er kam nüchtern nach Hause, das Gesicht und die Hände kalt und nach der frischen Nachtluft von Seattle riechend. Er zog sich aus und stieg neben ihr ins Bett. Dann lag er schweigend da und starrte an die Decke, solange sie wach war und, wie sie vermutete, noch länger.

8. Kapitel
    Susannah 2011
    S usannah gefiel Bettys Küche mit ihrem warmen Eichenboden, den blau gefliesten Arbeitsflächen und den hellgelben Metallschränken auf Anhieb. Lampen mit niedriger Wattzahl leuchteten sanft, und das offene Fenster über der Spüle ließ die kalte Nachtluft und das leise Rauschen der

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