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Das Leuchten der Insel

Das Leuchten der Insel

Titel: Das Leuchten der Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen McCleary
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er sie nach Autoren gefragt, die ihr gefielen, und daraufhin hatte sie aus den Tiefen einer Reisetasche in ihrem Wandschrank einige der Romane hervorgeholt, die sie liebte – in den acht Jahren, die sie auf Sounder war, hatte sie sie nicht ausgepackt. Und dann hatten sie und Barfuß einander daraus vorgelesen: aus So grün war mein Tal und Ich zähmte die Wölfin. Erinnerungen des Kaisers Hadrian und ihrem Lieblingsroman Jenseits von Eden . Sie sprachen und diskutierten über die Bücher, und er machte sie mit weiteren Büchern bekannt: Siddhartha und Der Traum der roten Kammer und Tausendundeine Nacht .
    Er hörte nie auf, ihren Körper zu bewundern, und sie entwickelte wieder einen Stolz auf ihre sehnige Stärke. Als Kind und Teenager war sie draufgängerisch und körperbetont gewesen. Als Einzige der vier Kinder in ihrer Familie hatte sie Ski- und Wasserskifahren gelernt, und sie war in jedem Wettrennen die Schnellste gewesen. Er ermutigte sie zu Liegestützen und Klimmzügen und lobte ihre wachsende Stärke. Er forderte sie zu einem Wettbewerb in Liegestützen heraus, bei dem er jeweils zwei für einen von ihr machen musste, und lachte, als sie gewann. Er kochte für sie: frische, in Weißwein und Butter gedünstete Kammmuscheln; mit Sojasauce, Ingwer, Knoblauch und Minze marinierte Lammkoteletts; Bouillabaisse mit lokalem Fisch und Meeresfrüchte in Kokosnussmilch. Er stellte ihr das Essen in einer großen Eisengusspfanne mit Deckel auf ihre Veranda, damit sie es zum Aufwärmen auf den Herd stellen konnte, bevor Jim aus der Schule nach Hause kam.
    Sie lauschte seinen Geschichten, diskutierte mit ihm über religiöse und philosophische Themen, rieb seine schmerzenden Muskeln mit Sesamöl ein und fragte nicht weiter nach, wo er gewesen war, wenn sie ihn mal ein paar Tage lang nicht sah. Manchmal fand sie, wenn sie zu ihm hochfuhr, das weiße Bauernhaus auf Crane’s Point leer und den Kamin kalt vor, und dann fuhr sie wieder nach Hause zu ihren häuslichen Pflichten und ihrem Kind. Früher oder später erschien Barfuß dann auf ihrer hinteren Terrasse – manchmal innerhalb von ein oder zwei Stunden, manchmal nach zwei oder drei Tagen. Sie wusste, dass er ein wildes, unabhängiges Geschöpf war, und hatte nicht den Wunsch, ihn zu zähmen. Seine Abwesenheiten gaben ihr zudem die Möglichkeit, sich wieder zu sammeln und sich ein wenig von ihrer durch ihn erzeugten Trunkenheit zu erholen.
    Und dann war Barfuß fort und Bill zu Hause. Bill war jetzt fast vierzig und hatte vom Wetter während seiner vielen Jahre auf See gegerbte Falten um seine Augen und quer auf seiner Stirn. Aber seine Augen leuchteten noch immer im selben intensiven Grün, und er hatte noch immer dasselbe verführerische Lächeln. Er brachte natürlich Geschenke mit – echte indianische Pfeilspitzen für Jimmy und eine purpurne Perlenkette für Betty. Er staunte, was sie während seiner Abwesenheit auf der Farm sowie am und im Haus geleistet hatte und wie sehr Jimmy gewachsen war. Er half ihr bei den Hausarbeiten, aber mehrere Male hörte sie ihn über seinen Sommer auf Sounder als »meinen Urlaub« sprechen. »Na toll«, dachte sie, »und wann ist mein Urlaub?«
    Sie fürchtete, dass er, wenn sie sich liebten, irgendeinen Unterschied an ihr bemerken würde – in der Art, wie sie sich bewegte oder ihn berührte oder auf seine Berührungen reagierte. Aber er war genauso wie immer, begierig nach Sex, rücksichtsvoll genug, um darauf zu achten, dass sie vor ihm kam, und anschließend schläfrig oder gleichgültig. Sie fand es schwieriger als erwartet, sexuell auf ihn zu reagieren. Sie hatte sich an Barfuß’ Hand hinter ihrem Kopf, sein kräftiges Gewicht auf ihr, seine glatte Brust und seinen glatten Rücken unter ihren Händen gewöhnt. Bill, ihr Mann, fühlte sich für sie nun wie ein Fremder an. Er war größer und schmaler als Barfuß und hatte eine dicht behaarte Brust. Ihr fehlte die Art, wie Barfuß mit ihr sprach, während sie sich liebten, und es fehlte ihr, selbst reden zu können. Sie versuchte ein oder zwei Mal mit sanfter Stimme, Bill zu sagen, dass sie sich wünschte, von ihm auf eine bestimmte Weise berührt zu werden oder dass sie sich in einem anderen Rhythmus bewegen wollte oder sogar, dass ihr etwas gefiel, was er tat. Doch ihre Worte schienen ihm peinlich zu sein, und er reagierte nicht.
    Aber Jim war glücklich. Sie besuchten das große Grillfest am Vorabend des Nationalfeiertags am Shell Beach und setzten tags darauf nach

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