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Das Leuchten der Insel

Das Leuchten der Insel

Titel: Das Leuchten der Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen McCleary
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gutgetan.« Susannah hatte nicht die Absicht, ihrer Mutter die Geschichte von Katies Gedicht oder von den Törtchen zu erzählen.
    »Aber von dem zu schließen, was Katie mir erzählt hat, scheint er sehr exzentrisch zu sein, vielleicht sogar gewalttätig. Sie hat mir davon berichtet, dass er einmal einem Mann in die Hand geschossen hat. Und sie ist da oben allein mit ihm.«
    »Er ist exzentrisch, aber absolut zurechnungsfähig«, entgegnete Susannah. »Und er ist nicht gewalttätig. Das ist eine alte Geschichte, die sich vor fünfzig Jahren im Mittleren Osten zugetragen hat. Das war eine andere Zeit und ein anderes Land. Er bringt Quinn bei, alle möglichen Arten von Pflanzen zu bestimmen.«
    Lila hob die Augenbrauen: »Quinn hält sich ebenfalls da oben auf? Machst du dir keine Sorgen darüber, welchen Einfluss dieser Mann auf deine Kinder ausüben könnte?«
    »Nein«, sagte Susannah.
    »Nun gut, es sind deine Kinder«, meinte Lila und rührte Milch in ihren Tee.
    »Was bitte soll das heißen?«
    »Nichts. Ich bin sicher, dass du weißt, was das Beste für sie ist.«
    Susannah verquirlte die Eier heftiger als nötig.
    »Katie hat sich sehr verändert, seit ich sie das letzte Mal gesehen habe«, sagte Lila. »Sie ist so groß geworden und sieht so erwachsen aus. Und sie ist so …« – Lila suchte nach einem passenden Wort – » … freimütig . Wie alt ist sie jetzt? Dreizehn?«
    »Vierzehn. Sie ist im September vierzehn geworden.«
    »Ah, stimmt. Ich versuche gerade, mich zu erinnern, wie du mit vierzehn warst.«
    Im Stillen dachte Susannah: »Ich bin zwei Monate nach Janies Tod vierzehn geworden. Du warst ein Zombie.« Aber sie sagte: »Ich war still.« Sie nahm einen Stieltopf, in dem sie Butter geschmolzen hatte, und goss die goldgelbe Flüssigkeit in die Schüssel mit den Eiern. »Es war kein tolles Jahr.«
    Lila schloss die Augen. »Nein«, sagte sie. »Es war kein tolles Jahr.« Sie öffnete die Augen wieder und sah zu Susannah hoch. »Ich wünschte …« Sie brach ab. »Egal. Es ist, wie es ist. Dennoch – wir haben nie darüber gesprochen.«
    »Mom, nein.« Susannah begann, Eier, Butter und Milch miteinander zu verquirlen. »Es war eine Tragödie, Janie zu verlieren. Ich gebe dir nicht die Schuld an der schweren Zeit danach.« Obwohl ich nie verstehen werde, warum du uns überhaupt hast fahren lassen. »Wie du sagtest: Es ist, wie es ist. Wir brauchen nicht darüber zu reden.«
    Susannah erinnerte sich an einen Tag zehn Monate nach dem Unfall. Ihr Vater war ausgezogen, und Lila hatte eine Stelle als Sekretärin an der örtlichen Highschool gefunden. Sie stand jeden Morgen auf, zog sich an, ging zur Arbeit, kochte Essen und verhielt sich wie eine normale Mom. Tante Tessa drängte Susannah, etwas zum Muttertag vorzubereiten, aber Susannah hatte Vorbehalte. Sie konnte sie nicht formulieren, auch sich selbst gegenüber nicht, aber es bedurfte keiner hellseherischen Fähigkeiten, um zu erkennen, dass der Muttertag das Potenzial hatte, Lilas instabile Rückkehr zur Normalität ebenso gründlich zu zerstören wie ein Fuß, der auf einen winzigen grünen Spross trat.
    »Sie wird am Muttertag traurig sein«, sagte Susannah zu Tessa, »weil sie an die Sache mit Janie erinnert wird.«
    »Glaubst du, dass sie es je vergisst?«, entgegnete Tessa. »Sie muss sich aber auch daran erinnern, dass sie lebende Kinder hat, die sie lieben, und dass sie ihnen eine gute Mutter ist. Mach etwas.«
    Also ging Susannah, stets die pflichtbewusste Tochter, mit Jon in den kleinen Supermarkt hinüber und suchte zwei Karten und eine kleine Packung mit Süßigkeiten aus. Aber sie war unsicher. Waren die Karten zu fröhlich? Zu ernst? Sollte sie lieber selbst eine Karte basteln? Es war so lange her, seit Lila wirklich einmal Appetit auf irgendetwas gehabt hatte, dass sich Susannah nicht erinnern konnte, ob Lila überhaupt Süßigkeiten mochte. Als sie dann an der Kasse stand, fiel ihr ein winziger roter Vogel aus gefaltetem Papier ins Auge.
    »Was ist das?«, fragte sie die Kassiererin.
    »Ein Origami-Kranich«, antwortete die Kassiererin. »Das entsprechende Material verkaufen wir, es ist dort drüben.«
    Susannah besah sich eine Schachtel mit kleinen Papiervierecken in unterschiedlichen leuchtenden Farben. »Wenn man tausend Papierkraniche faltet, drückt man damit Hoffnung und Wohlwollen aus«, stand auf der Schachtel. »Dieses schöne Symbol ist ein perfektes Geschenk für besondere Anlässe. Die Packung enthält alles, was man zum

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