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Das Leuchten der Insel

Das Leuchten der Insel

Titel: Das Leuchten der Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen McCleary
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Melonenernte zunichtegemacht hat. Sie haben mich gebeten, nach ein paar krankheitsresistenten Sorten zu suchen, vielleicht Wildsorten, die wir hier noch nicht angebaut haben. Ich werde auch in Tibet und Nepal nach ein paar Kräutern suchen.«
    »Claire hat mir mal erzählt, dass du eine Frau in Tibet hast.«
    Barfuß hob eine Braue in ihre Richtung. »Ach ja?« Er lächelte: »Das habe ich nicht, obwohl ich dort einst eine Frau geliebt habe. Die Buddhisten haben eine andere Einstellung gegenüber der Ehe.«
    »Wieso?«
    »Für die Buddhisten ist die Ehe eine soziale Vereinbarung, kein Sakrament wie bei uns. Die meisten buddhistischen Texte sagen nichts zum Thema ›Monogamie‹, auch wenn die dritte Grundregel vor ›sexuellen Verfehlungen‹ warnt. Aber meiner Auffassung nach ist Sex zwischen zwei Menschen, die einander lieben, keine Verfehlung.«
    »Ich bin keine Buddhistin«, meinte Betty.
    »Und das heißt?«, fragte Barfuß. »Denkst du, das hier …« – er gestikulierte in ihre und dann in seine Richtung – »… ist Sünde?«
    »Nein. Ich weiß nicht.«
    »Aber ich weiß es. Ich glaube, dass Liebe – wirkliche Liebe, nicht Wollust oder Schwärmerei, sondern romantische Liebe, zu der eine tiefe, mitfühlende, großzügige, liebenswürdige und häufig selbstlose Hingabe gehört – ein alles überragender und übersteigender moralischer Wert ist. Er übertrumpft das Ehegelübde. Wir verwirklichen unser tiefstes menschliches Potenzial innerhalb liebender Beziehungen. Das kann nicht falsch sein.«
    »Es fühlt sich auch nicht falsch an.«
    »Vertrau dem, Elizabeth.«
    Sie sah zu ihm hoch. »Warum nennst du mich immer Elizabeth? Niemand nennt mich so, noch nicht einmal meine Mutter.«
    »Betty ist eine Magd«, erwiderte er und sah ihr in die Augen, »Elizabeth ist eine Königin.«
    Sie errötete verlegen und senkte ihren Blick auf ihren Kaffeebecher, bevor sie ihn wieder ansah. »O bitte, das ist doch ein wenig kitschig, nicht?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Entscheide selbst, welchen Namen du bevorzugst, und so werde ich dich dann nennen.«
    Sie spürte die ganze Fülle seiner Liebe zu ihr, spürte, wer sie in seiner Gegenwart war. »Nenn mich Elizabeth«, bat sie.
    Als Barfuß im Juni abreiste, vereinbarten sie, bis zu seiner Rückkehr im September keinerlei Kontakt zu pflegen. Sie verbrachte das späte Frühjahr und den Sommerbeginn damit, die Schafe zu scheren, Salat zu pflanzen, Brunnenkresse auszusäen und intensiv über ihre Ehe und sich selbst nachzudenken. Wie sie jetzt erkannte, bestand das Problem mit Bill darin, dass er etwas anderes wollte, als er zu wollen glaubte, und dass er sich selbst nicht gut genug kannte, um das zu begreifen. Er hatte gedacht, er wolle eine starke und unabhängige Frau, eine, die temperamentvoll und andersartig war, aber tatsächlich wünschte er sich eine Frau, die sechsundneunzig Prozent der Zeit tat, was er wollte.
    Das Leben auf Sounder mochte eine unkonventionelle Entscheidung gewesen sein, aber alles andere an ihrer Ehe war so traditionell, wie es nur sein konnte. Sie hatte für Bill ihre Arbeit aufgegeben, war für Bill nach Sounder gezogen, verbrachte für Bill Monat um Monat allein und hatte beschlossen, seine Seitensprünge zu ignorieren – Teufel –, sie zu billigen.
    Und wenn sie ganz genau in den Spiegel ihrer Ehe blickte, gefiel ihr auch nicht sonderlich, welches Bild sie von sich selbst sah. Sie hatte einen Beruf, den sie liebte, aufgegeben, weil Bill nicht gewollt hatte, dass sie außerhalb ihrer vier Wände arbeitete. Sie hatte seinen Alaska-Träumen zugehört und ihn darin bestärkt, obwohl das ein Ort war, den aufzusuchen sie sich nicht sehnte, geschweige denn, wo sie leben wollte. Sie war mit ihm nach Sounder gezogen, obwohl sie Seattle und ihre Familie nicht hatte verlassen wollen. Sie hatte mit der Landwirtschaft begonnen – Landwirtschaft, um Himmels willen! Wenn man ihr mit achtzehn, also im Jahr vor ihrer Heirat, gesagt hätte, dass sie einmal jeden Morgen um halb fünf aufstehen würde, um Hühner zu versorgen und Ziegenställe auszumisten, und dabei eine schmutzige Latzhose tragen und abends über Saatkatalogen brüten würde, dann hätte sie über eine derartig aberwitzige Vorstellung nur gelacht. Wohl oder übel hatte sie sich Bills Wunschbild von ihr angepasst. Das fühlte sich wie eine Sünde an.
    Barfuß hatte Seiten von ihr freigelegt, deren Existenz ihr überhaupt nicht mehr bewusst gewesen war. Während der vergangenen Monate hatte

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