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Das Leuchten der Insel

Das Leuchten der Insel

Titel: Das Leuchten der Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen McCleary
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empfand auch eine geistig-seelische Erschöpfung. Sobald sie und Barfuß ein Liebespaar geworden waren, erkannte Betty, wie umfassend die Einsamkeit ihr Leben durchdrungen hatte, ähnlich wie Wasser, das in ein Fundament gesickert war und das sich nun in den tiefsten Winkeln ihrer Seele sammelte. Sie war am Verhungern gewesen und hatte es noch nicht einmal gewusst.
    Zunächst fiel es ihr schwer, ihre Gefühle für Barfuß von der überwältigenden Macht ihres physischen Verlangens nach ihm zu trennen. Sie hatte ihr Sexualleben mit Bill genossen, aber Bill war der einzige Mann gewesen, mit dem sie je geschlafen hatte. Zu Beginn ihrer Ehe war Bill ein eifriger Liebhaber gewesen, und sie, jung und unerfahren, war einfach glücklich gewesen, wenn er glücklich war. Seine Berührungen erregten sie, aber sie zögerte, ihm ihre Erregung zu zeigen, weil sie fürchtete, das sei nicht »damenhaft«, und auch, weil sie ein wenig Angst vor der Gewalt ihrer eigenen Sinnlichkeit hatte. Und sie wusste auch nicht, wie sie ihm sagen sollte, dass sie es möglicherweise mehr genießen würde, wenn er sie nur ein wenig anders berührte. Sie sehnte sich nach einer Verbundenheit mit ihm, der sie sich annäherte, die sie aber nie ganz erreichte. Bill mochte keine Unterhaltung, während sie sich liebten. Und er schloss seine Augen stets und wandte sein Gesicht von ihr ab, als sei ihm sein eigener Drang ein wenig peinlich.
    Als Barfuß sie das erste Mal liebte, lag sie im Bett auf dem Rücken, und er drang langsam in sie ein, wobei er ihr die ganze Zeit in die Augen sah. Als sie der Intensität seines Blicks nicht mehr standhalten konnte und den Kopf zur Seite drehte, schob er eine Hand unter ihren Hals und drehte ihr Gesicht wieder zu seinem hin. »Elizabeth«, sagte er, und der Name wirkte kostbar und zärtlich, wie er ihn aussprach – ein Flüstern, ein Gebet. Der Kontrast zwischen seiner Person – schlank und wie aus Stein gemeißelt, jeder Muskel durch viele Stunden Liegestütz und Laufen geformt, unabhängig, stürmisch, geistreich und schroff – und dem unmittelbaren Erleben seiner Sanftheit ihr gegenüber war fast zu groß, um ihn auszuhalten. Die ersten Male, die sie sich liebten, weinte Betty jedes Mal, überwältigt von Dankbarkeit für sein Einfühlungsvermögen und von Erleichterung darüber, bei ihm sie selbst sein zu können. Er erforschte ihren Körper bedächtig, sprach mit ihr und fragte sie, ob es ihr gefiel, hier oder dort berührt zu werden, sanft wie jetzt oder stärker. Und sie lernte durch seine Berührungen ihren eigenen Körper kennen. Er sagte ihr wieder und wieder, wie sehr er ihren Körper liebe, ihren langen Hals, ihre festen Schenkel und sogar die leichte Rundung ihres Bauches, die sie seit ihren Schwangerschaften hatte. Er wollte sie bei Tageslicht lieben oder im Leuchtschein des Feuers oder im Licht von Lampen, sodass er sie sehen und in ihr schwelgen konnte.
    Ihr Glück riss sie mit und fegte meist auch ihre Schuldgefühle hinweg. Bill ging schließlich auch seine eigenen Wege. Aber dasjenige Schuldgefühl, dem sie nicht entkommen konnte, entsprang ihrem Glauben, ihren Sohn zu betrügen. Barfuß berührte sie nie in Jims Gegenwart; dann legte er noch nicht einmal eine Hand auf ihren Arm. Sie blieb auch nie über Nacht bei Barfuß und liebte ihn nie in ihrem Haus; selbst dann nicht, wenn Jim in der Schule oder bei einem Freund war. Aber sie rang mit ihren Dämonen, und Barfuß wusste es.
    »Du quälst dich unnötig«, sagte er eines Morgens, als sie auf seiner Veranda saßen und Kaffee tranken. Jim war in der Schule, und sie war, sobald sie ihre häuslichen Pflichten erledigt hatte, zum Farmhaus von Barfuß gefahren, wie sie dies nun an vielen Tagen tat. Die Seitenmauer entlang blühten Pfingstrosen tiefrosa in der Maisonne, und die dicken Knospen an den Apfelbäumen begannen sich zu öffnen. Bill würde in vier Wochen nach Hause kommen. Es würde das erste Widersehen mit ihm sein, seit sie ihre Affäre mit Barfuß begonnen hatte.
    »Es geht nicht um Bill«, sagte sie.
    Sie lehnte sich in ihrem Schaukelstuhl zurück und legte ihren nackten Fuß auf das Geländer der Veranda. Sie hatten sich über eine Stunde lang geliebt, dann war sie aus dem Bett aufgestanden und hatte sich eines der Flanellhemden von Barfuß übergezogen, sonst nichts. Dies war auch etwas, das er ihr beigebracht hatte: Er fühlte sich so absolut wohl in seinem Körper, dass er häufig nackt im Haus herumlief, und er verehrte ihren

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