Das Leuchten der schottischen Wälder
32
In den Highlands war der Spätsommer eingezogen. Die Heide blühte und verwandelte weite Teile des Landes in ein violettes Blütenmeer. Nur dort, wo die Wald- und Moorbrände gewütet hatten, lag eine verkrustete, schwarze Ascheschicht auf dem Land.
Patrick war zufrieden. Sein Sehvermögen besserte sich, und die Narben der Brandwunden an den Beinen und an den Händen verblichen langsam. Er fühlte sich in Broadfield wohl. Das ruhige Leben im Arzthaus, die stressfreien Tage und Nächte trugen viel zu seiner Erholung bei. Er wusste, dass er den Beruf des Wildhüters nicht mehr ausüben konnte, denn richtig klar und deutlich sehen, so wie früher, würde er nie mehr können, aber dass er überhaupt sehen, hell und dunkel unterscheiden, Umrisse klar erkennen und auch die Farben wieder gut wahrnehmen konnte, machte ihn zufrieden. Sein reserviertes Verhalten Lena gegenüber hatte sich in eine herzliche Freundschaft verwandelt, und manchmal dachte er daran, diese Freundschaft zu einer lebenslangen Beziehung zu erweitern. Aber er hatte Angst davor, Lena an sich zu binden. Er hatte Angst vor ihrer Antwort, Angst, Mitleid statt Zuneigung zu bekommen und Angst vor einer Absage. Was habe ich denn schon zu bieten, fragte er sich manches Mal, wenn er schlaflos in seinem Bett lag und an die Zukunft dachte. Ich bin nicht mehr blind, aber ich bin stark behindert. Welche Frau möchte sich an einen Mann binden, der dauernd auf ihre Unterstützung angewiesen ist? Ich habe keinen Beruf mehr, kein Einkommen, kein Zuhause und keine Zukunftschancen.
Eines Tages war Lena gekommen und hatte ihm angeboten, sein Pferd und die Hunde nach Broadfield zu holen und in einem Stallanbau unterzubringen. Da Shaica sich nicht mit den Border Collies und Lenas Hündin Sandy vertrug, musste sie mit ihrem neuen Wurf in einem abgelegenen Verschlag untergebracht werden, während Jogas und Basco von Tom zu Hütehunden ausgebildet wurden. Patrick lächelte bei der Erinnerung an die wilden, verwöhnten Burschen, die seinen Bettvorleger über alles liebten und plötzlich im Stroh des Stalles übernachten mussten.
Mit Tom verband den Ranger eine echte Kameradschaft, wie sie schon immer zwischen dem Ranger und seinen Arbeitern geherrscht hatte. Sie gründete sich auf Vertrauen und gegenseitigen Respekt. Patrick achtete den alten Mann, der so gut mit den Tieren umgehen konnte, lernte von ihm und erfuhr so ganz nebenbei, dass Tom zum Winter hin seine Arbeit auf Lenas Farm beenden würde. Ihn zog es zu seiner Familie weiter nördlich in den Highlands, wo er seinen Lebensabend verbringen wollte.
Eines Tages fragte der Hirte Tom den studierten Wildhüter Patrick klar heraus: „Willst du nicht hierbleiben und meine Arbeit übernehmen?“
Patrick, zunächst überrascht und auch verärgert über das primitive Angebot, das dieser Hirte ihm als Sohn eines Earl machte, ließ den Gedanken aber doch in seinem Kopf kreisen und überlegte lange, wie er mit dieser Idee umgehen sollte. Schließlich kam er zu der Überzeugung, dass das Angebot gar nicht so schlecht war. Mein Gott, dachte er, ich hätte eine Aufgabe, die mir sogar Spaß machen würde, ich könnte mich nützlich machen, und ich könnte hier bleiben. Ja, und Lena würde die Herde ihrer Mutter, die ihr natürlich am Herzen liegt, behalten. Ich kenne die Tiere inzwischen, ich kann sie unterscheiden, und mit den Border Collies komme ich auch zurecht. Nein, so schlecht ist die Idee gar nicht, der alte Tom hat manchmal recht gute Einfälle. Ich kenne Bauern, die uns Futter liefern können, ich habe Kontakte zu Tierärzten und anderen Züchtern – Himmel, die Sache beginnt mir Freude zu machen.
Als er am Abend mit Lena auf der Gartenbank bei einem Glas Rotwein saß und in den sternenreichen Himmel schaute, wo immer wieder Sternschuppen die Dunkelheit durchkreuzten, fing er ganz behutsam ein Gespräch an.
„Ich muss mich um meine Zukunft kümmern.“
„Lass dir Zeit, Patrick.“
„Das sagst du schon seit vielen Wochen, Lena. Ich finde, ich habe meine Zukunft inzwischen erreicht, ich muss mich darum kümmern.“
„Gefällt es dir nicht mehr bei uns?“
„Natürlich gefällt es mir hier. Aber ich bin wieder einigermaßen gesund, ich brauche Arbeiten und Aufgaben, irgendwie muss ich mein Leben neu ordnen.“
„Und das kannst du nicht, indem du hier bist? Ach, Patrick, ich habe mich an dich gewöhnt, du würdest mir wirklich sehr fehlen.“
Patrick zögerte mit der Antwort. Wenn er nur eine liebgewordene
Weitere Kostenlose Bücher