Das Leuchten der schottischen Wälder
einen leicht spöttischen Ausdruck verlieh. Er sprach leise, dennoch schien er von einem eisernen Willen erfüllt. Früher, so hatte sie ihn jedenfalls in Erinnerung, machte er den Eindruck eines energischen Mannes, der sich nicht gern herumkommandieren ließ, heute war davon allerdings nichts mehr zu spüren. Na ja, dachte Lena, wie soll auch ein blinder Mann Energie aufbringen und einen eisernen Willen haben?
Lena kreuzte bei Connel den Loch Etive und fühlte sich nun am Rande des Benderlochs schon fast wie zu Hause. Sie liebte die Hügel und die Weite dieser Gegend und die intensive Stille, die den Druck von ihrem jetzt so hektischen Leben nahm. Hier am Ufer des Lochs und in den großen Buchten lag die Reinheit und unberührte Schönheit, die eine Atmosphäre der Ruhe versprach, eine Ruhe, die sie jetzt so dringend brauchte.
Patrick McDoneral, als hätte er ihre Gedanken gespürt, tastete nach ihrem Arm und legte dann seine Hand darauf, als wolle er sie beruhigen. „Du musst keine Angst haben, Lena, ich falle dir nicht zur Last. Lass mich ein oder zwei Tage ausruhen, dann setze ich mich mit dem Naturschutzverband von Glasgow in Verbindung, und dann wird man mir weiterhelfen.“
„Was hast du vor? Woran denkst du?“
„Es gibt Arbeiten, die auch ein Blinder verrichten kann. Büroarbeiten, Verwaltungsfunktionen, Lehraufgaben, irgendjemand wird schon etwas für mich finden. Die Hauptsache ist für mich die Selbständigkeit, die Unabhängigkeit und die Freiheit.“
„Ich weiß. Aber lass dir Zeit mit der Suche. Du kannst bei mir wohnen, wir werden uns schon einrichten.“
„Danke. Ich wusste, dass du mir helfen würdest, aber ich will deine Unterstützung nicht überstrapazieren. Ich müsste nur noch meine persönlichen Sachen aus dem Forester’s House holen, in dem jetzt ein anderer Ranger lebt, und irgendwann muss ich mich um meine Hunde und das Pferd kümmern, aber das hat Zeit.“
Sie hatten Broadfield erreicht, und Lena musste sich auf den Verkehr und die kurvenreiche Straße hinauf zur Paso Fernando konzentrieren. Patrick nahm seine Hand zurück, und Lena hatte plötzlich das Gefühl, dass auf ihrem Arm etwas Wichtiges fehlte. Körperliche Kontakte hatte es bisher zwischen ihnen, abgesehen von dem einen oder anderen Händedruck bei Begrüßungen, nicht gegeben.
Und nun war da plötzlich eine winzige Vertrautheit, die fast selbstverständlich war.
Sie hatten die Farm erreicht. Lena hielt vor dem Arzthaus und stellte den Motor ab. Sie stieg aus, lief um den Wagen herum und half dem Ranger aus dem Auto. Langsam führte sie ihn über den Gartenweg zum Haus, öffnete die Tür und brachte ihn in die Wohnstube.
Sie führte ihn zu einem Sessel und half ihm beim Hinsetzen. Als sie in die Küche gehen wollte, um ein Frühstück vorzubereiten, sah sie mit Erstaunen, dass unten im Stall die Alpakaherde eingezogen war. Was hat das denn zu bedeuten, fragte sie sich erschrocken und ging sofort hinüber, um mit Tom zu sprechen.
„Nun, Dr. Mackingtosh, die Weiden da oben sind kahl gefressen, die Tiere haben kein Futter mehr gefunden. Und als wir herunterkamen, waren die Moore mit all ihren Gräsern und Kräutern verbrannt. Nun wusste ich nicht wohin mit der Herde, weil auch eine Menge neuer Jungtiere dazugekommen sind.“
„Sie haben das ganz richtig gemacht, Tom. Wir lassen die Tiere heute und morgen im Stall, damit sie sich von dem langen Weg erholen können, und dann sehen wir weiter.“
„Ich würde mich auch gern etwas erholen, Miss. Ich war jetzt viele Monate nicht zu Hause, ich müsste mal nach meiner Familie sehen, wenn’s recht ist.“
„Natürlich, Tom. Bitte bleiben Sie noch ein paar Tage, bis ich Ersatz für Sie gefunden habe, dann können Sie zu Ihrer Familie fahren. Haben die Tiere Futter und Wasser bekommen?“
„Selbstverständlich, Miss, aber viel Heu ist da noch nicht auf dem Boden.“
„Ich muss mich um Futter kümmern, ich weiß, aber zuerst muss ich jetzt ins Haus und nach meinen Patienten sehen. Ich komme am Nachmittag zurück, und dann besprechen wir alles.“ Mit Entzücken beobachtete Lena diese wunderschönen Tiere, die, im Stall zur Ruhe gekommen, friedlich fraßen, während die Fohlen fröhlich herumsprangen. Mein Gott, dachte Lena, ich kann sie nicht behalten. Die Herde wird immer größer, ich kann mich nicht um sie kümmern, und ich kann sie nicht unterhalten. Jetzt sind es fast zweihundert Tiere, woher nehme ich das Futter, bald wird der Stall zu klein, und wenn Tom
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