Das Leuchten des Himmels
sollte es Ihnen nichts ausmachen, Ihren eigenen Verbleib zu überprüfen.«
Rose brachte ein Stück Fleischkäse, eingebettet in einen Berg Kartoffelbrei und umringt von einem kleinen Fettsee. »Darf ich Ihnen sonst noch was bringen, Bing?« Sie stellte noch eine Schüssel Erbsen und winzige Zwiebeln neben seinen Teller.
Nate sah ihn mit sich kämpfen, verfolgte, wie er sich zurücknahm. Seine Stimme war gelassen, sogar eine Spur freundlich, als er antwortete. »Nein danke, Rose.«
»Lassen Sie es sich schmecken. Und Sie, Chief, melden sich, wenn Sie was möchten.«
»Ich habe Ihnen nichts mehr zu sagen«, erklärte Bing und gabelte ein riesiges Stück Fleischkäse auf.
»Wie wär’s denn mit ein wenig Geplauder zum Mittagessen. Was halten Sie von Star Wars .«
»Hä?«
»Die Filme, Sie wissen schon. Luke Skywalker, Darth Vader.«
»Verdammter Idiot«, murmelte Bing kaum hörbar und schaufelte sich fettgetränkten Kartoffelbrei in den Mund. » Star Wars , du liebe Zeit. Lassen Sie mich in Ruhe essen.«
»Großartige Geschichte, Figuren, die man nicht so leicht vergisst. Es geht im Grunde um Schicksal und Verrat.«
»Es geht um klingelnde Kinokassen und Merchandising.« Bing fuchtelte mit seiner Gabel herum, ehe er wieder einstach. »Ein Haufen Kerle fliegen in Raumschiffen herum und traktieren einander mit Lichtschwertern.«
»Säbeln. Lichtsäbeln. Es kostet zwar Zeit, Opfer müssen gebracht, Verluste beklagt werden, aber…« Er rutschte aus der Bank. »Die guten Jungs haben gewonnen. Bis bald.«
25
In der letzten Unterrichtsstunde Englische Literatur saßen elf Schüler der Oberstufe. Neun davon waren wach. John ließ die beiden Dösenden ihr nachmittägliches Nickerchen machen, während einer der etwas Wacheren beim Vorlesen von Lady Macbeths »Fort, verdammter Fleck!«-Szene die Worte des Meisters gründlich verhunzte.
Er hatte den Kopf voll, und zu verfolgen, wie seine Schüler Macbeth diskutierten, machte nur einen kleinen Teil davon aus.
Diskussionen wie diese leitete er nun schon seit fünfundzwanzig Jahren, seit er sich das erste Mal aufgeregt vor eine Schulklasse gestellt hatte.
Damals war er nur wenige Jahre älter gewesen als die, die er unterrichten sollte. Und vielleicht unschuldiger und eifriger als die Mehrheit seiner Schüler jetzt.
Er hatte großartige, Ehrfurcht gebietende Romane voll mit Allegorien des menschlichen Seins schreiben wollen.
Aber um dem Los, in einer Dachkammer zu verhungern, zu entgehen, unterrichtete er.
Er schrieb auch, und wenngleich seine Romane nicht so großartig und Ehrfurcht gebietend waren, wie er gehofft hatte, waren doch ein paar veröffentlicht worden. Auch ohne Unterrichten wäre er nicht in der Dachkammer verhungert, aber gut leben hätte er auch nicht können.
Die Anforderungen – und Gott helfe ihm, auch die Freuden des Unterrichtens – überwältigten den intellektuellen jungen Mann, der große Romane hatte schreiben wollen. Also wagte er den Sprung, den kühnen, närrischen Sprung, und ging nach Alaska. Um Erfahrungen zu sammeln, ein einfaches Leben zu führen und in dieser primitiven Gegend das Menschsein zu studieren, die nach allen Seiten hin offene Isolation, die dieser Ort für ihn ausmachte. Er wollte Romane über den Wagemut und die Beharrlichkeit des Menschen schreiben, über seine Torheiten und seine Triumphe.
Und so war er nach Lunacy gekommen.
Wie hätte er, ein junger Mann von noch nicht dreißig Jahren, das wahre Wesen der Besessenheit kennen können? Woher hätte dieser gescheite, idealistische und pathetische junge Mann wissen sollen, dass dieser eine Ort und diese eine Frau ihn anketten würden? Und er sich freiwillig anketten ließ, egal wie sehr sie beide sich seinen Bedürfnissen widersetzten und verweigerten?
Es war Liebe auf den ersten Blick gewesen, und es war eine Obsession daraus geworden, aber er war sich nicht mehr sicher, ob es da einen Unterschied gab. Charlenes Schönheit – wie eine goldene Weide -, ihre Stimme – wie ein Lied der Sirenen. Ihre rücksichtslose, genussvolle Sexualität. Alles an ihr bezauberte und verschlang ihn.
Sie war die Frau eines anderen, die Mutter des Kindes eines anderen. Aber das tat nichts zur Sache. Seine Liebe, wenn es denn Liebe war, hatte nichts von der reinen, romantischen Liebe eines heldenmütigen Ritters für eine Dame gehabt, sondern war das lustvolle, schwitzende Verlangen eines Mannes nach einer Frau.
Hatte er sich nicht eingeredet, sie würde Galloway den Laufpass
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