Das Leuchten des Himmels
winselten, als er voller Schuldbewusstsein wegging.
Er trat durch die Empfangsdiele ein und suchte Charlene in ihrem Büro auf.
»Ich habe drei Collegestudenten für den Sommer eingestellt.«
Sie gab ihrem Computer einen Klaps. »Bei den vielen Buchungen, die wir haben, werde ich sie gut brauchen können.«
»Das ist gut.«
»Auch die hiesigen Bergführer stellen üblicherweise ein paar ein. Im Juni wird es hier vor hübschen Collegejungs brummen.« Sie sagte das mit einem Funkeln in den Augen, doch auf Nate wirkte es eher trotzig als erwartungsvoll.
»Wir werden alle gut zu tun haben. Charlene...« Er schloss die Tür. »Ich werde Sie jetzt was fragen, aber es wird Ihnen nicht gefallen.«
»Seit wann könnte Sie das von etwas abhalten?«
Keine Zeit für Feinfühligkeiten, beschloss er. »Wer war der erste Mann, mit dem sie geschlafen haben, nachdem Galloway weggegangen war?«
»Ich küsse nicht, um es dann gleich an die große Glocke zu hängen, Nate. Hätten Sie mich je beim Wort genommen, wüssten Sie das.«
»Hier geht es nicht um Klatsch, Charlene, und es ist auch kein Spiel. Interessiert es Sie, wer Pat Galloway umgebracht hat?«
»Natürlich tut es das. Haben Sie eine Ahnung, wie schwer es ist, diese Beerdigung zu planen, und dabei zu wissen, dass er noch in irgendeiner Leichenhalle liegt, aber nicht zu wissen, wann ich ihn nach Hause bringen kann. Ich frage Bing fast jeden zweiten Tag, wann er glaubt, dass der Boden weich genug zum Aufgraben ist. Um das Grab für meinen Pat auszuheben.«
Sie nahm sich zwei Papiertaschentücher aus der Schachtel auf ihren Schreibtisch und schniefte hinein.
»Als meine Mutter meinen Vater begrub, wanderte sie wie ein Geist einen Monat lang durchs Haus. Vermutlich sogar länger. Sie erledigte alles, was zu tun war – wie Sie auch, aber man drang nicht zu ihr durch. Man kam nicht an sie heran. Sie entfernte sich irgendwohin. Seitdem habe ich sie nie mehr erreichen können.«
Charlene zwinkerte gegen die Tränen an und nahm die Taschentücher vom Gesicht. »Wie traurig.«
»Sie haben das nicht gemacht. Sie haben nicht zugelassen, dass ein Geist aus Ihnen wird. Und jetzt bitte ich Sie um Ihre Hilfe. Wer hat Annäherungsversuche gemacht, Charlene?«
»Wer nicht? Ich war jung und schön anzusehen. Sie hätten mich damals sehen sollen.«
Etwas wühlte sie auf, und er war schon auf dem Sprung, dieses Etwas zu packen, da explodierte sie.
»Und ich war allein ! Ich wusste ja nicht, dass er tot war. Wenn ich das gewusst hätte, wäre ich nicht so bald... ich war verletzt, und ich war sauer, und als die Männer mich dann umschwärmten, warum hätte ich mir da nicht einen rauspicken sollen? Viele rauspicken sollen?«
»Das wirft Ihnen keiner vor.«
»Zuerst schlief ich mit John.« Ihre Schulter zuckte, und sie warf das Taschentuch in ihren rosa Papierkorb. »Ich wusste, dass er für mich schwärmte, und er war so süß dabei. So aufmerksam«, fügte sie schwermütig hinzu. »Also ging ich mit ihm. Aber nicht nur mit ihm. Ich nahm mir, was ich haben wollte. Ich brach Herzen, und ich zerbrach Ehen. Und es war mir alles egal.«
Sie beruhigte sich wieder und wirkte auf einmal ganz gelassen, fast nachdenklich. »Meinetwegen hat keiner Pat umgebracht. Und wenn doch, dann war es Zeitverschwendung. Denn eigentlich waren sie mir alle gleichgültig. Ich habe ihnen nie etwas gegeben, was ich mir nicht auch nahm. Er ist nicht meinetwegen tot. Aber wenn dem so wäre, dann glaube ich nicht, dass ich damit weiterleben kann, das schwöre ich.«
»Er ist nicht Ihretwegen tot.« Er umrundete sie, trat hinter sie und legte seine Hände auf ihre Schultern, um sie sanft zu streicheln. »Nein, sicher nicht.«
Sie hob eine Hand und schloss sie über seiner. »Ich habe ständig darauf gewartet, dass er zurückkommt. Damit er sah, dass ich seinetwegen nicht aus Gram verging und er mich wieder haben wollte. Ich schwöre zu Gott, Nate, dass ich darauf gewartet habe, bis Sie und Meg da hochflogen. Bis man ihn gefunden hat, habe ich auf ihn gewartet.«
»Er wäre zurückgekommen.« Er drückte fester, als sie ihren Kopf schüttelte. »Man lernt das Opfer kennen, wenn man die Arbeit macht, die ich tue. Man versetzt sich in es hinein und lernt es besser verstehen, weitaus besser als die Menschen, die es lebend kannten. Er wäre zurückgekommen.«
»Das ist das Netteste, was jemals jemand zu mir gesagt hat«, sagte sie darauf. »Vor allem jemand, der nicht versucht, mir an die Wäsche zu
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