Das Leuchten des Himmels
»Alles ging schief. Und ich denke, dass Hartborne was passiert sein muss. Wir haben ihm nur die Hälfte des Geldes gegeben, um sicherzugehen, dass er uns wieder abholt.«
»Wir überprüfen das. Sag mir doch einfach seinen ganzen Namen und alles, was du sonst noch über ihn weißt.«
»Also, Brad kannte ihn. Na ja, eigentlich kannte Brad jemanden, der ihn kannte.«
»Okay. Dann werden wir mit Brad sprechen.«
»Meine Eltern werden mich umbringen.«
Oh, noch einmal zwanzig sein, überlegte Nate, und sich nach einer Beinahe-Todeserfahrung um den elterlichen Zorn zu sorgen. »Darauf kannst du wetten. Erzähl mir was über den toten Mann in der Höhle, Steven.«
»Ich habe das nicht erfunden.«
»Das behaupte ich auch nicht.«
»Wir haben ihn alle gesehen. Wir konnten die Höhle ja nicht verlassen, nicht mit Brads Bein. Da fassten wir den Entschluss, dass ich nach unten gehen sollte, um Hartborne zu treffen und Hilfe zu holen. Sie mussten bei ihm bleiben. Beim Eismann. Er saß nur da und starrte vor sich hin. Mit dem Eispickel in seiner Brust. Ich habe Fotos gemacht.«
Seine Augen weiteten sich, als er sich hochkämpfte, um aufrechter zu sitzen. »Ich habe Fotos gemacht«, wiederholte er. »Die Kamera. Sie... ich glaube, sie ist in der Tasche meiner Thermoweste. Sie muss noch da sein. Dann können Sie ihn sehen.«
»Warte einen Moment.« Nate trat auf den Kleiderhaufen zu, wühlte sich hindurch und kam mit der Weste zurück. In der Innentasche mit Reißverschluss befand sich eine der kleinen Digitalkameras, kaum größer als eine Kreditkarte.
»Ich weiß nicht, wie so was funktioniert.«
»Ich zeig es Ihnen. Sie müssen sie anschalten, und dann – sehen Sie – hier den Sucher? Sie können die Fotos aus dem Speicher abrufen.
Die letzten, die ich da oben gemacht habe, waren die von dem Toten. Ich habe drei gemacht, weil ich... da!«
Nate studierte die Nahaufnahme des Gesichts in dem kleinen Sucher. Das Haar mochte schwarz oder braun gewesen sein, aber es war von Frost und Eis bedeckt und schimmerte silbern. Langes, fast schulterlanges Haar, mit einer tief in die Stirn gezogenen Mütze darüber. Das Gesicht war schmal, weiß, durchschnitten von eisverkrusteten Brauen. Er hatte dem Tod oft genug in die Augen gesehen, um ihn darin zu erkennen. Sie waren weit aufgerissen und blau.
Er rief das vorangegangene Bild auf.
Dies war der Körper eines Mannes, Alter etwa zwischen zwanzig und vierzig, seiner raschen Einschätzung nach. Er saß mit dem Rücken zur Eiswand, die Beine nach vorne ausgestreckt. Er trug einen schwarz-gelben Parka, Schneehosen, Bergstiefel, dicke Handschuhe.
In seiner Brust steckte etwas, das wie eine kleine Axt aussah.
»Hast du den Körper angefasst?«
»Nein. Na ja, ich habe ein wenig mit dem Finger drangestoßen. Festgefroren.«
»Okay, Steven, ich werde deine Kamera brauchen. Du bekommst sie zurück.«
»Gewiss. Kein Problem. Womöglich war er schon seit Jahren da oben, wissen Sie? Jahrzehnte oder so. Uns war nicht geheuer, das kann ich Ihnen sagen, aber in gewisser Weise hat es uns auch von unserem eigenen Schlamassel abgelenkt. Glauben Sie, man weiß jetzt etwas über Brad und Scott?«
»Ich werde das herausfinden. Jetzt muss ich mit dem Arzt sprechen. Aber wir werden uns noch mal unterhalten müssen.«
»Jederzeit. Im Ernst, ich danke Ihnen dafür, dass Sie mir das Leben gerettet haben.«
»Pass besser darauf auf.«
Beim Hinausgehen steckte Nate die Kamera in seine Jackentasche. Er würde die State Police einschalten müssen, überlegte er. Mord in den Bergen fiel nicht in seinen Zuständigkeitsbereich. Aber das hieß nicht, dass er für seine Akten nicht ein paar Abzüge von den Bildern machen konnte.
Wer war er? Wie war er dorthin gekommen? Wie lange war er schon dort? Warum war er tot? Diese Fragen begleiteten ihn durch die Notaufnahme und zum Schwesternzimmer, wo bei seinem Eintreffen das Rettungsteam gerade die anderen beiden Jungs brachte.
Er fand, dass er wohl am besten allen aus dem Weg ging, und als er Meg hinter dem Team durch die Schwingtür kommen sah, ging er zu ihr.
»Das ist ihr Glückstag«, sagte sie.
Nate erhaschte einen Blick auf das Gesicht von einem der Jungen und schüttelte den Kopf. »Darüber lässt sich streiten.«
»Jeder Tag, an dem der Berg nicht tötet, ist ein Glückstag.« Und es machte sie stolz, sie lebend zurückgebracht zu haben, obwohl sie damit gerechnet hatte, Leichen zu finden. »Wahrscheinlich werden sie ein paar Zehen verlieren,
Weitere Kostenlose Bücher