Das Leuchten des Himmels
»Es gibt keinen Weg hinaus, für keinen von uns. Wir sind alle tot hier.«
Er war aufgewacht, als die Höhle ihn verschlang.
Meg war nicht überrascht, dass Nate nicht mehr da war. Es war schon nach acht Uhr, als sie wach wurde, und sie ging davon aus, dass es ihm zu langweilig oder er zu hungrig gewesen war, um auf sie zu warten.
Sie war ihm dankbar für seine Gesellschaft und die direkte Art seines Mitgefühls. Er hatte sie mit Entsetzen und Trauer – und welche Empfindungen sie sonst noch peinigten – allein fertig werden lassen. Dies erachtete sie als ein sehr wertvolles Kapital bei einem Freund oder Liebhaber.
Sie war sich ziemlich sicher, dass er beides war.
Sie würde sich damit befassen müssen, mit sich, mit ihrer Mutter, mit jedem in der Stadt. Und mit der Polizei.
Aber das hatte Zeit. Damit konnte sie sich beschäftigen, wenn sie wieder in Lunacy war.
Sie ging davon aus, dass sie Nate finden würde, ehe es Zeit zur Rückkehr war. In der Zwischenzeit war ihr nach einem Kaffee zumute.
Im Speiseraum war alles fürs Frühstück gedeckt, und viele ließen es sich schmecken. Billige Unterkunft, gutes Essen, das zog viele Piloten und Führer an, die Anchorage als Sprungbrett benutzten. Sie entdeckte jede Menge vertrauter Gesichter.
Dann sah sie Nate.
Er saß allein in einer der hintersten Nischen. Da dies ein begehrter Platz war, nahm sie an, dass er schon lange dort saß. Vor ihm stand ein Becher Kaffee und lag eine Zeitung. Aber er trank nicht, und er las nicht. Er war irgendwo anders, in seinen Gedanken verloren. Trostlosen und kummervollen Gedanken.
Als sie ihn inmitten all der Betriebsamkeit dort sitzen sah, wurde ihr klar, dass sie noch nie einen so einsamen Menschen gesehen hatte.
Egal was seine lange, traurige Geschichte sein mochte, sie könnte ihn umbringen.
Als sie schon auf dem Weg zu ihm war, rief jemand ihren Namen. Und während sie mit einem Winken darauf reagierte, kehrte Nate zurück. Sie verfolgte, wie er sich zurückholte, entschlossen seinen Kaffee nahm und sich zurechtrückte, ehe er seinen Blick in ihre Richtung lenkte. Ihr zulächelte.
Ein schwaches Lächeln aus rätselhaften Augen.
»Du hast aber schön lang geschlafen.«
»Hat gut getan.« Sie nahm ihm gegenüber Platz. »Hast du schon was gegessen?«
»Noch nicht. Hast du gewusst, dass es Pendler aus Montana gibt, die hier in den Konservenfabriken arbeiten?«
Sie schielte auf die Zeitung und den entsprechenden Artikel. »Ja, das wusste ich. Wird gut bezahlt.«
»Ja, und du hast nicht den täglichen Kampf mit dem Stoßverkehr. Ich bin eigentlich davon ausgegangen, dass man in Montana lebt, weil man Pferde oder Kühe züchten möchte. Oder möglicherweise, um ein paramilitärisches Camp einzurichten. Okay, das ist nun wirklich zu verallgemeinernd, aber trotzdem.«
»Du bist ein echter Ostküstenjunge. He, Wanda.«
»Meg.« Die Kellnerin, eine kecke Zwanzigjährige, stellte einen zweiten Becher Kaffee hin und zückte ihren Block. »Was darf ich euch bringen?«
»Ein paar Eier, noch weich, kanadischen Speck, Bratkartoffeln, Weizentoast. Was ist mit Jocko?«
»Hab ihn abserviert.«
»Ich habe dir ja gleich gesagt, dass der nichts taugt. Was möchtest du denn, Burke?«
»Ah...« Er war sich nicht sicher, ob er überhaupt Appetit hatte, kam aber zu dem Schluss, dass Anblick und Duft von Essen diesen wecken könnten. »Schinken-Käse-Omelette und Weizentoast.«
»Hab ich notiert. Jetzt gehe ich mit einem Jungen namens Byron«, vertraute sie Meg an. »Er schreibt Gedichte.«
»Es kann ja nur besser werden.« Meg wandte sich wieder Nate zu, als Wanda ging. »Wandas Eltern gehörten zu den Saisonarbeitern, als sie noch ein Kind war. Im Sommer, wenn sie in den Konservenfabriken arbeiteten, war sie regelmäßig hier. Es hat ihr gefallen, und so ist sie im letzten Jahr für immer hergezogen. Sie lernt zwar ständig die Falschen kennen, aber sie ist in Ordnung. Woran hast du gedacht, ehe ich zu dir kam?«
»Eigentlich an gar nichts. Ich hab mir die Zeit mit Zeitunglesen vertrieben.«
»Nein, hast du nicht. Aber da du mir gestern Abend ebenfalls einen Gefallen getan hast, bedränge ich dich nicht.«
Er leugnete es nicht, sie bedrängte ihn nicht. Und das, obwohl sie den Drang, ihre Hand auszustrecken und seine Wange zu streicheln, kaum unterdrücken konnte. Aber wenn sie in brütender Stimmung war, wollte sie genauso wenig Trost. Also behandelte sie ihn mit derselben Höflichkeit, die sie für sich
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