Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Leuchten des Himmels

Das Leuchten des Himmels

Titel: Das Leuchten des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberts Nora
Vom Netzwerk:
Barscheck hätte er eventuell verpulvert – wenn er je einen hatte. Vielleicht haben sich auch Schuldscheine angesammelt, weil er nicht oft gewonnen hat. Aber nichts Großes. Jedenfalls nicht vor Ort. Ich habe auch nie gehört, dass er bei was Illegalem mitgemischt hätte – bis auf die Entspannungsdrogen. Und es gäbe jede Menge Leute, die glücklich wären, mir was erzählen zu können. Nicht weil sie ihn nicht gemocht hätten. Die Leute mochten ihn. Nur, weil einem die Leute so was gern erzählen.«
    »Okay.« Er rieb mit der Hand über ihre Hüfte. »Ich werde ein paar Fragen stellen – und ich werde mich mit demjenigen, der den Fall übernimmt, gut stellen, damit die mich auf dem Laufenden halten.«
    »Gut. Dann lass uns hier rausgehen.« Sie ließ das halbe Essen stehen und rollte sich vom Bett. Ihre Hände schlugen rhythmisch gegen ihre Beine. »Ich kenne mich hier aus. Die Musik ist gut. Wir können was trinken, dann krabbeln wir zurück und haben Sex, bis der Kronleuchter schwankt.«
    Anstatt auf ihren Stimmungswechsel einzugehen, warf er bloß einen Blick auf die alte, schäbige Deckenlampe. »Die sieht nicht aus, als würde sie viel aushalten.«
    Sie musste lachen. »Dann leben wir eben gefährlich.«

10
    Als Nate aufwachte und sein Traum verblasste, hinterließ dieser nur einen bitteren, salzigen Geschmack in seiner Kehle.
    Als hätte er Tränen geschluckt. Er konnte Meg neben sich atmen hören, weich und stetig. Eigentlich hätte der Teil von ihm, der unter dem Gewicht der Verzweiflung kämpfte, sich ihr gern zugewandt. Um im Sex Trost und Vergessen zu finden.
    Sie war warm und würde um ihn herum lebendig werden.
    Doch er kehrte sich ab. Obwohl er wusste, wie unsinnig es war, sich dem eigenen Elend in die Arme zu werfen. Aber er stieg allein im Dunkeln aus dem Bett und suchte seine Kleider. Er zog sich an und ließ sie schlafend zurück.
    In seinem Traum hatte er den Berg bestiegen. Er hatte sich durch Eis und Fels gekämpft, ein paar tausend Meter über der Welt. In den luftlosen Himmel, wo jeder Atemzug eine Qual war. Er musste hinauf, fühlte den Zwang, sich noch einen weiteren Zentimeter nach oben zu krallen, noch einen Schritt zu schaffen, während unter ihm nichts als ein wirbelndes weißes Meer war. Stürzte er, würde er geräuschlos darin ertrinken.
    Also kletterte er, bis seine Finger bluteten und rote Spuren auf dem von Eis überzogenen Fels hinterließen.
    Erschöpft, aber in Hochstimmung, schleppte er sich auf einen Felsvorsprung. Und sah die Öffnung der Höhle. Licht pulste daraus hervor und entzündete Hoffnung in ihm, als er hineinkroch.
    Sie weitete sich, türmte sich wie ein mythischer Eispalast. Riesige Eisgebilde stachen von der Decke nach unten, strebten vom Boden nach oben, um Säulen und Bogengänge aus weißem und geisterhaftem Blau zu schaffen, auf denen das Eis wie tausend Diamanten funkelte. Die glatten, polierten Wände glänzten wie Spiegel und warfen sein Spiegelbild hundert Mal zurück.
    Er kam wieder auf die Beine, umkreiste, geblendet vom Schimmer, von der Weite und vom Funkeln, die ganze Herrlichkeit.
    Hier könnte er leben, allein. Seine Festung der Einsamkeit. Hier könnte er Frieden finden, in dieser Stille und Schönheit, ganz allein.
    Dann entdeckte er, dass er nicht allein war.

    Der Körper saß zusammengesackt an der schimmernden Mauer, mit ihr verbunden durch Jahre endloser Kälte. Der Griff des Eispickels stach aus seiner Brust heraus, und das gefrorene Blut glänzte rot, rot, rot auf dem schwarzen Parka.
    Und seine Stimmung kippte, als er begriff, dass er gar nicht der Ruhe und des Friedens wegen hier war, sondern weil es seine Pflicht war.
    Wie sollte er die Leiche nach unten bringen? Wie deren Gewicht auf dieser langen, gefährlichen Reise zurück in die Welt tragen? Er kannte den Weg doch gar nicht. Er verfügte weder über die Fertigkeiten noch über die Werkzeuge oder die Kraft.
    Als er auf die Leiche zuging, schleuderten die Wände und Säulen der Höhle die Spiegelungen auf ihn. Hunderte Mal er, hunderte Mal der Tote. Wohin er auch sah, überall schloss sich ihm der Tod an.
    Das Eis begann zu knacken, die Wände fingen an zu beben. Donnergebrüll erschallte, als er sich am Fuß der Leiche auf die Knie warf. Das tote Gesicht Galloways wandte sich ihm zu und zeigte ihm mit gebleckten Zähnen seine blutige Grimasse.
    Doch es war Jacks Gesicht – und Jacks Stimme, die zu ihm sprach, als die Eissäulen einstürzten und der Boden der Höhle sich hob.

Weitere Kostenlose Bücher