Das Leuchten des Himmels
Das ist eine Richtung.«
»Die ermittelnden Beamten werden Fragen stellen, die in diese
Richtung gehen. Vielleicht möchtest du damit lieber noch etwas warten, bis du deine persönlicheren Dinge geklärt hast.«
»Du meinst den Kampf um die letzte Ruhestätte und die Beerdigung, die Charlene plant.« Sie schnitt interessante Bänder von einem Rotkohlkopf. »Mir klingen noch die Ohren – deshalb bin ich gestern auch nicht mehr ans Telefon gegangen. Ein Kampf um einen toten Körper ist mir dann doch etwas zu blöd. Vor allem, solange sie noch gar nicht weiß, ob seine Familie wirklich Einwände hat, ihn hier zu beerdigen.«
»Hast du sie kennen gelernt?«
Sie holte einen Topf aus dem Schrank und füllte ihn mit Wasser für die Nudeln. »Ja. Seine Mutter hat sich ein paar Mal mit mir in Verbindung gesetzt, und als sie mir anbot, ich solle hinfliegen, um seine Familie kennen zu lernen, war ich neugierig genug, es zu tun. Ich war achtzehn. Charlene war total sauer – was meinen Entschluss natürlich noch bekräftigte.«
Als der Topf auf dem Brenner stand, rührte sie die Sauce um und kümmerte sich dann wieder um den Salat. »Die sind ganz okay. Hochnäsig und anspruchsvoll, nicht gerade die Art von Leuten, die ich gern um mich habe – oder die mich auch gern länger um sich haben. Aber sie waren sehr anständig zu mir. Sie gaben mir Geld – und dafür haben sie schon ein paar Punkte verdient.«
Sie griff nach der Flasche, schenkte sich nach und sah Nate fragend an.
»Nein danke, mir reicht das.«
»Es war so viel Geld, dass ich damit eine Anzahlung auf mein Flugzeug und diesen Grund hier leisten konnte, also bin ich ihnen dankbar.«
Sie trank nachdenklich einen Schluck. »Ich denke nicht, dass sie gegen Charlene vorgehen werden und darauf bestehen, ihn wieder zurück in den Osten zu holen. Sie möchte das gern so sehen, weil es ihr gefällt, sie zu hassen. Genauso wie sie ihren Spaß daran haben, sie nicht zu beachten. Auf diese Weise können sie alle mehr aus meinem Vater rausholen, als er war.«
Sie holte die Teller und gab sie Nate, damit er den Tisch deckte. »Ist Schweigen eine Befragungstechnik?«
»Mag sein. Aber man kann auch Zuhören dazu sagen.«
»Es gibt nur einen Menschen, den ich kenne – nein, mit dem ich bereit bin, längere Zeit zuzubringen -, der genauso zuhört wie du. Das ist Jacob. Es ist eine gute, starke Eigenschaft. Mein Vater hat mir auch manchmal zugehört. Aber man konnte ihn wegdriften sehen, wenn es zu lang dauerte und es ihm unangenehm wurde. Dann saß er es nur noch aus, aber er hörte nicht mehr, was man sagte. Jacob hat mir immer zugehört.«
Sie stieß einen Seufzer aus.
»Nun zu Patrick Galloway. Er war ein rücksichtsloser Mistkerl. Ich liebte ihn, und mir gegenüber hat er sich auch nie wirklich rücksichtslos verhalten. Aber seiner Familie gegenüber, die es trotz all ihrer Fehler einfach nicht verdient hat, dass ihr Sohn an seinem achtzehnten Geburtstag ohne ein Wort einfach abgehauen ist. Und Charlene gegenüber, weil er es ihr überlassen hat, den Unterhalt zu verdienen und sich mit den Unannehmlichkeiten herumzuschlagen. Wahrscheinlich hat sie ihn geliebt, und das war – und ist vielleicht – das Kreuz, das sie zu tragen hat. Ob er sie geliebt hat, weiß ich nicht.«
Sie holte einen Glasbehälter mit Rotinis aus dem Schrank und warf diese in das kochende Wasser, erzählte weiter, als sie die Temperatur regelte und umrührte.
»Und ich glaube auch nicht, dass er es mit uns ausgehalten hätte, wenn ihn nicht jemand umgebracht hätte, bevor er die Chance hatte, sich ganz von uns zu verabschieden. Aber das werde ich jetzt nie mehr erfahren, und er bekam nie die Gelegenheit, seine Entscheidung zu treffen. Und das zählt. Es zählt, dass jemand seinem Leben ein Ende gemacht hat. Darauf konzentriere ich mich. Nicht darauf, wo er endet, wenn man ihn unter die Erde bringt.«
»Vernünftig.«
»Ich bin keine vernünftige Frau, Burke. Ich bin eine selbstsüchtige Frau. Da wirst du noch schnell genug dahinter kommen.« Sie holte einen Plastikbehälter aus dem Kühlschrank, schüttelte ihn und goss dann den Inhalt über den Salat. »In der Schublade dort findest du Baguette. Noch frisch von heute Morgen.«
Er zog die Schublade auf. »Ich wusste gar nicht, dass du in der Stadt gewesen bist.«
»War ich auch nicht. Ich habe mir eine Auszeit genommen, um
mich hier einzubuddeln.« Nachdem sie das Brot ausgewickelt hatte, schnitt sie ein paar dicke Scheiben ab. »Und
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