Das Leuchten
abgestempelt.«
Der Doc achtete nicht länger auf das, was Shade sagte, und löste die Sicherheitsleine.
»Sie hätten den Artikel nicht schreiben sollen, Doc«, verhöhnte ihn Shade. »Sie wissen doch, dass Sie gegen den Staat nichts ausrichten können.«
Er musste einen wunden Punkt getroffen haben, denn der Doc warf ihm einen feindseligen Blick zu. »Alles, was ich in diesem Artikel geschrieben habe, ist wahr.«
»Aber Sie konnten es nicht beweisen.« Die Tätowierungen auf Shades Rücken wanden sich wie die Schlangen auf dem Haupt der Medusa. »Weil sich Ihr Beweismaterial aus dem Staub gemacht hatte.«
»Steig ein!« Der Doc schubste Gemma auf den Puffer. Mit den Armen rudernd hielt sie das Gleichgewicht, dann kletterte sie auf das Boot und zwängte sich durch die geöffnete Luke.
»Sind Sie deshalb zurückgekommen? Um neues Material zu besorgen?« Shade zeigte auf mich. »Damit Sie der Welt beweisen können, dass Sie Recht haben?«
Meine Finger wurden taub, weil mir das ganze Blut ins Gehirn strömte, damit ich Shades Worte begreifen konnte. Der Doc war meinetwegen auf den Meeresgrund gezogen! Um endgültig zu beweisen, dass seine Theorien über die Dunklen Gaben stimmten.
»Aber ich bin kein Waisenkind!«, platzte ich heraus. »Meine Eltern würden nie zulassen, dass mich jemand benutzt.«
»Wahrscheinlich hätten sie gar kein Mitspracherecht bekommen«, spekulierte Shade. »Wie wollten Sie sie umgehen, Doc? Ich wette, Sie hatten schon einen Plan.«
Das taube Gefühl ging auf all meine Glieder über und brachte mein Herz fast zum Stillstand.
»Deshalb haben Sie meine Eltern vorhin als verantwortungslos bezeichnet«, sagte ich. »Damit Sie die beiden vor Gericht bringen und sie für unfähig erklären lassen können.«
Der Doc warf mir nur einen kurzen Blick zu, aber darin lag eindeutig Schuld.
Shade musste es ebenfalls bemerkt haben, denn er schnaubte verächtlich. »Nimm’s nicht persönlich, Junge. Der Mann hat seinen Ruf zu retten.«
»Halt den Mund!«, zischte der Doc. Er sprang auf den Puffer, die Waffe noch immer auf Shade gerichtet.
Im Sichtfenster sah ich Gemma, die sich mit entschlossener Miene über die Kontrollinstrumente beugte. Sie drückte den Steuerknüppel nach vorne und das Boot fuhr los. Der Ruck ließ den Doc nach hinten fallen. Mit einem lauten Platsch! landete er im Moonpool. Während der Doc im Wasser zappelte, krachte das Nanoboot auf der anderen Seite an den Rand des Pools. Ich rannte quer durch den Raum, um Gemma zu helfen. Aber sie schien meine Hilfe gar nicht zu brauchen. Sie stellte sich auf den Sitz und stemmte sich aus der Luke, während das Meerwasser das Cockpit flutete. Als das Boot untertauchte, sprang Gemma vom Rand der Einstiegsluke auf die von Wasser überspülte Kante des Pools. Ich kam gerade noch rechtzeitig, um ihr die Hand zu reichen und sie hochzuziehen. Plötzlich hörte ich ein Klatschen hinter mir.
Ich drehte mich um. Shade schlitterte auf der überschwemmten Kante zu der Leiter, an der sich der Doc hatte herausziehen wollen. Jetzt kraulte er panisch rückwärts.
»Die meisten Jungen können nicht mehr schlafen«, sagte Shade, während er dem Doc den Weg zu einer anderen Leiter abschnitt. »Und wenn sie mal einschlafen, wachen sie schreiend wieder auf. Sogar jetzt noch. Jedes Mal, wenn sie die Augen schließen, sind Sie wieder da, mit Ihren Nadeln und Skalpelle n …«
Doc, dessen Lage immer auswegloser wurde, riss sich die Harpune vom Rücken. Er paddelte zum Rand und zielte mit einer Hand.
»Na los!«, spottete Shade und breitete die Arme aus. »Sie haben nur diesen einen Versuch.«
Der Doc feuert e – und schoss haarscharf vorbei. Shade verzog keine Miene, er quittierte die vertane Chance nur mit einem abschätzigen »Ts-ts-ts«. Die Bewegungen des Docs wurden langsamer. Bald würde er so unterkühlt sein, dass er sich nicht mehr über Wasser halten konnte. Ich griff nach der langen Rettungsstange an der Wand und rannte zum Doc, um ihm zu helfen, doch da stellte sich Shade mir in den Weg.
»Er wird ertrinken!«
»Tatsächlich?« Es sollte wohl abgebrüht klingen, aber ich konnte die Wut in seiner Stimme deutlich hören. »Was für ein Jammer.«
Der Doc paddelte zu der Packung Liquigen, die im Wasser trieb. Er bekam sie zu fassen, hielt sie an die Lippen und saugte den letzten Rest heraus.
Hinter mir erklangen Stiefelschritte. Sie kamen von der Leiter im Versorgungsschacht. Ich wandte mich um und sah, wie erst Dad und dann Mum aus der
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