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Das Licht, das toetet

Titel: Das Licht, das toetet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Derek Meister
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aber wegen seines Rucksacks und des Skistocks nicht beschatten. Der Lärm des Super Pumas war ohrenbetäubend.
    Kaum war er aus dem Sog des Rotors getreten, bemerkte er den Schnee, der wie ein Schwarm Sternschnuppen im Licht der Scheinwerfer zu Boden fiel.
    „Schau dir das an“, rief er Alva begeistert zu, die ebenfalls stehen geblieben war und die Flocken beobachtete, die schwerelos in der Nacht tanzten.
    „Wunderschön“, brüllte er, um den startenden Helikopter zu übertönen.
    Alva nickte schweigend. Seit sie aufgebrochen waren, hatte sich ihr Husten verschlimmert. Obwohl sie es abstritt, befürchtete Daniel, dass er sich festgesetzt hatte.
    Auf halber Strecke zu den Baracken schnitt ihnen eine kastenförmige Schneeraupe den Weg ab. Ein dicker Mann quälte sich aus dem Fahrerhaus, um Alva und Daniel herzlich zu begrüßen. Er stellte sich als Dr. Hamilton vor, Leiter der Krankenabteilung von MacTown, wie er McMurdo liebevoll nannte.
    Dr. Hamilton nahm Daniel und Alva das Gepäck ab, verstaute die Rucksäcke hinter den Sitzen seiner Raupe und half ihnen einzusteigen.
    Um Dozers Einverständnis für den Flug zu bekommen, hatten sie Alvas Husten und Daniels Wunde vorgeschoben. Unter dem Vorwand, sich gründlich in der Krankenstation untersuchen zu lassen, hatte Dozer beide nach McMurdo fliegen lassen. Tatsächlich verfügte die Amundsen-Scott-Base nur über das Nötigste an medizinischen Geräten und Medikamenten, während McMurdo eine gut eingerichtete Krankenabteilung besaß und regelmäßig Präparate aus Neuseeland einfliegen ließ.
    „Um was geht es denn genau?“, wandte sich Doktor Hamilton an Alva.
    „Ich huste seit zwei Wochen und –“
    „Rückenschmerzen?“, unterbrach sie der Dicke. Er zog sich seine rote Pudelmütze vom Kopf und griff nach einem Flachmann.
    „Nur das Übliche.“
    „Das Übliche? Na ja …“ Der Mann nickte seufzend.
    „Auch einen Schluck?“, fragte er, aber Alva und Daniel schüttelten den Kopf.
    Während die Raupe gemächlich an den Versorgungskisten und Tanks des Flughafens vorbeizuckelte, stürzte Hamilton achselzuckend den Schnaps in einem Zug runter und klemmte die Flasche zwischen die Sitze in der Fahrerkabine. Wie Daniel sehen konnte, sammelte sich dort schon einiges an Leergut.
    „Frostschutz“, erklärte Dr. Hamilton und klopfte sich auf die Brust. „Gut gegen innere Vereisung.“ Er lächelte entwaffnend und fuhr dann fort: „Das Übliche klingt aber wirklich nicht gut, Doktor …“
    „Ohlström.“
    „Doktor Ohlström. Sie können in unserer bescheidenen Krankenstation übernachten. Aber ich denke, wir sollten Sie noch heute Nacht durchchecken, nicht, dass Sie sich eine Lungenentzündung eingefangen haben.“
    Daniel warf Alva einen besorgten Blick zu. Dozer hatte sie beide per Mail angekündigt und sie hatten herzlich gelacht, als die Nachricht tatsächlich auch auf Daniels Laptop erschienen war. Obwohl es nur ein Trick war, um ein paar Tage frei und einen Helikopter nach McMurdo zu bekommen, war Daniel froh, dass sich Alva bei der Gelegenheit gleich durchchecken ließ.
    „Und Sie?“
    „Schnittwunde am Bein.“ Mit einer schnellen Geste zeigte Daniel auf seinen rechten Oberschenkel. „Getackert.“ Seine knappe Antwort verfehlte ihre Wirkung nicht. Der Dicke brummte ein „Okay“ und belästigte ihn nicht weiter.
    Daniel lehnte sich mit dem Kopf an die Scheibe der Raupe. Ihn überkam wieder die Müdigkeit und er musste gähnen.
    „Machen Sie es sich ruhig gemütlich.“ Der Leiter der Krankenabteilung sah in den Federschnee und musste aufstoßen. „Zwei Eisbrecher haben heute unsere Piste nach MacTown aufgerissen. Alles Vorbereitungen für das große Schiff aus Neuseeland. Die bringen jede Menge Ausrüstung und Medikamente. Darum müssen wir einen Umweg nehmen.“
    Ratternd quälte sich die Raupe weiter durch den Schnee. Was zum Teufel mache ich hier eigentlich?, grübelte Daniel, während er durch die beschlagene Scheibe das Schneetreiben betrachtete. Ich hätte mir ein schönes Labor in Berlin suchen können, eine hübsche Freundin nehmen und jeden Tag am Hackeschen Markt Sushi essen können. Doch ich hocke am Arsch der Welt und klaue meinem Chef sein Multimillionen-Dollar-Spielzeug. Und muss zusehen, wie eine bescheuerte Anomalie die Früchte meiner Arbeit zerstört. Was mache ich hier eigentlich, sechzehntausend Kilometer von meinem Oldtimer-Käfer und meinen Freunden entfernt?
    Als könnte Alva seine Gedanken lesen, nahm sie seine Hand.

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