Das Licht, das toetet
Torte, darunter eine große Sechs aus Zuckerblumen.
Bpm deutete mit seinem Löffel auf einen glücklich lachenden Jungen, der mit einer dicken roten Schleife am Lenker eines Kinderfahrrads kämpfte. „Dann bist das wohl nicht du“, sagte er mit vollem Mund.
Die Kamera wackelte und ein Mann kam ins Bild. Sein Rücken füllte das Bild aus, als er zu dem kleinen Jungen ging. Er kniete sich lachend neben ihn und sagte etwas.
Der Film war ohne Ton, nur das Rattern des Projektors begleitete die Bilder. Der Mann war im Begriff, sich umzudrehen und Ian hielt die Luft an. Die Nickelbrille, die Narbe, die dunklen Haare und die schmale Nase. Das war unverkennbar sein Großvater. Der Mann konnte nur Harvey Boroughs sein. Die Kamera zoomte näher an den großen Mann und den kleinen Jungen heran, der freudig in die Kamera winkte.
Plötzlich ertönte ein Knall und die beiden Jungen fuhren erschrocken zum Projektor herum. Das Bild brach ab und ein Schleifen und Klackern verriet, dass der Film gerissen war.
Hilflos drehte Bpm an den Knöpfen.
„Verdammt!“, fluchte er. Bandsalat quoll aus dem Projektor. Die kleine Rolle hatte sich fast vollständig abgewickelt.
„Ich sag ja immer: Digital ist besser!“ Bpm versuchte, den Film aus dem Transportwerk zu befreien.
„Ist er kaputt?“
„Du kannst Fragen stellen. Der Film ist gerissen, ja.“ Zum Beweis hielt Bpm die beiden Enden hoch.
„Hm, zeig mal her. Sieht so aus, als wenn er schon mal an der Stelle gerissen war.“ Ian deutete auf ein Stück Tesafilm, das an einem Ende hing.
„He, warte mal …“ Neugierig besah sich Bpm das Stück, das sie noch nicht gesehen hatten. „Da sind Bilder eingefügt.“
Er hielt den Film gegen das Licht des Projektors.
Tatsächlich waren drei Filmbilder zwischen die anderen geklebt worden. Vermutlich war der Projektor über eine der Nähte gestolpert und hatte dabei den Film zerrissen.
„Lass mal sehen.“ Ian runzelte die Stirn. „Was ist das? Ein Ball?“
Irgendetwas Langes, Helles war zu sehen. Bpm schnappte sich sein Handy vom Couchtisch und schaltete die Taschenlampe an. Die beiden hielten die drei Bilder darüber.
„Nein“, sagte Ian überrascht. „Es ist der Mond.“
„Wieso hat dein Vater drei Mondbilder in den Film geschnitten?“
„Keine Ahnung.“
„Vielleicht ist es Kunst?“
„Bei einem Kindergeburtstagsfilm?“
„Sind da noch mehr eigenartige Bilder?“ Ian zog den Bandsalat zu sich und fuhr mit dem Finger den schmalen Film ab, konnte aber keine weiteren Schnittstellen finden. Merkwürdig.
50
Funabashi – Präfektur Chiba,
Japan
„Noch immer keine Spur?“ Kommissar Kenichi tätschelte seinem Roboterhund den Kopf und legte sich einen Beutel Eis auf sein linkes Auge. Er musste sich setzen. Der Klappstuhl aus Plastik war unangenehm kalt, denn Kenichi trug nur eine Unterhose. In seiner winzigen Küchennische, in der gerade Platz für sein Single-Tischchen und den Klappstuhl war, flackerte die Neonröhre über der Spüle.
Kenichi unterdrückte ein Gähnen. Sein Handy hatte mitten in der Nacht geklingelt, ihn aber nicht geweckt, weil er sich unruhig im Bett gewälzt und sinnlos seine Gedanken kreisen lassen hatte.
Um 3:45 war er aufgestanden, um sich einen Boh-Cha-Tee aufzugießen. Er hatte nicht mal auf die Uhr sehen müssen, um zu wissen, wie spät es war. Seit dreißig Jahren bewohnte er das Einzimmer-Appartement im zwölften Stock und konnte die landenden Flugzeuge mittlerweile am Geräusch erkennen. Um 3:45 war es eine Boeing 777-300. Eine gestreckte Variante des Jumbo-Jets, eine Maschine der Japan Airlines, die aus Paris kam. Als er vor zwei Jahren vorübergehend seinen Job verloren hatte, hatte er jeden Tag seinen alten Klappstuhl genommen, war mit dem Fahrstuhl aufs Hochhausdach gefahren, um den Fliegern beim Starten und Landen zuzusehen. Einfach so. Tagelang.
Die stählernen Vögel beruhigten ihn. Vielleicht, weil sie ihm ganz tief in seinem Innern sagten, dass die Menschheit mit Technik alles meistern konnte.
Wer fliegen konnte, dem gehörte die Welt.
„Wo habt ihr gesucht?“, fragte er und rieb sich müde die Augen. Er kannte den jungen Kollegen aus der Polizeidirektion nur flüchtig. Ein korrekter Mitarbeiter, der sich vor Eifer überschlug. Während Kenichi sich eine weitere Tasse grünen Tee in seine Trinkschale einschenkte, hatte der Mann schon hundert Worte verloren. Der Tee war von gestern und kalt, aber das machte Kenichi nichts aus.
„… und bei ihren Freunden am
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