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Das Licht, das toetet

Titel: Das Licht, das toetet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Derek Meister
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müssen den Grund finden, wenn wir ihm helfen wollen.“
    Jetzt sieht er sie wieder? Was meinte Peter damit? Still lehnte Ian sich an die Tür, wodurch er Zeros Neugier weckte. Der Setter streckte sich gähnend und lief auf ihn zu, um mit schiefgelegtem Kopf ebenfalls auf den Flur hinauszuschielen.
    „Und deswegen soll er zu Dr. Bernstein? Um den Grund zu finden?“
    „Ja. Er findet sicher die Ursache für seine … seine Halluzinationen. Und bis dahin sollte er seine Medikamente wieder nehmen.“
    „Du tust ja, als sei er krank, Peter. Der Psychologe hat damals auch keinen Anhaltspunkt gefunden. Vielleicht war es der Schock über den plötzlichen Tod seines Vaters. Ich habe jedenfalls keine Lust, ihn wieder unter … unter … Drogen zu setzen.“
    „Jetzt übertreib mal nicht, Olivia. Die Medikamente waren harmlos.“
    Zero begann zu fiepen. Immer aufgeregter wedelte er mit dem Schwanz, weil er das Ganze für ein Spiel hielt.
    „Sssssssht.“ Sanft tätschelte Ian seinem Hund die Schnauze. „Leise, Zero. Pssssst.“ Beide lauschten sie in die Dunkelheit.
    Das Mondlicht fiel durch den Schirm der alten Plastiklampe, die er als Kind mit seiner Mutter in Notting Hill gekauft hatte, und warf verwischte Muster an die Flurwand. Sterne und Planeten kreisten langsam über den Treppenabsatz.
    „Er ist krank, Olivia.“
    „Krank! Komm schon, Peter! Für dich sind alle krank, die nicht zweimal in der Woche ihren Wagen waschen und ihre Zähne in der … der falschen Richtung bürsten.
    Du meinst putzen. Und sei bitte nicht ungerecht, ja?“
    Die Wohnzimmertür wurde geschlossen. Schlagartig verstummte der Fernseher.
    Ian schlich langsam die Treppe hinunter, bis er die Stimmen wieder hören konnte.
    „Ungerecht? … Du willst ihn mit Medikamenten ruhigstellen.“
    „Ich will ihn nicht ruhigstellen, ich will nur, dass ihm nicht das Gleiche passiert wie seinem Vater. Herrgott, Olivia, er redet von Geistern!“
    Ian horchte auf. Sein Vater? Was war mit ihm? Und was hatte er mit Geistern zu tun? Ian konnte sich kaum an seinen Vater erinnern, aber er wusste, dass er bei einem Autounfall ums Leben gekommen war. In London, in der Nähe des Piccadilly Circus. Er hatte zu Barclays fahren wollen, der Bank, in der er arbeitete, als ein roter Doppeldeckerbus voll mit Touristen seinen BMW gerammt hatte.
    Einen Moment lang überlegte Ian, ob er nachfragen sollte, entschied sich dann aber dagegen. Da unten herrschte dicke Luft und er hatte bereits Hausarrest.
    Gespannte Stille senkte sich über den Flur.
    „Als hättest du seinen Vater gekannt, Peter. Du weißt nichts über seinen Tod.“
    Ian setzte sich lautlos auf die unterste Stufe, doch er hörte nur, wie die Schiebetür zum Garten geöffnet wurde. Dann waren die Stimmen zu leise, weil sich seine Eltern draußen weiter unterhielten.

8
Akihabara,
 Stadtteil Chiyod, Tokio, Japan
    Sie waren zu viert und zückten im Laufen ihr Pfefferspray. Ein dicker Koreaner mit Pausbacken und schütterem Haar versuchte vergeblich, seinen Schlagstock aus dem Gürtel zu ziehen, während er haarscharf an den Auslagen mit den Elektroartikeln vorbeischrammte.
    „He! Du! Stehen bleiben!“, schrie er, obwohl Chiyo reglos neben den Regalen stand. Zu spät hatte sie die Kamera über dem Tisch mit den Transistoren und Widerständen bemerkt. Sie hatte gedacht, Electro-World besäße nur an den Ausgängen und bei den teuren PC-Spielen und Laptops Kameras. Wieso mussten diese Trottel von Wachleuten auch die Grabbeltische mit den Ersatzteilen kontrollieren, die nicht einmal ein paar Yen kosteten?
    „Bleib, wo du bist!“
    „Kuso“, entfuhr es Chiyo. Ohne zu zögern, riss sie eine der großen Holzladen vom Tisch, in der sich unzählige kleine Elektronikteile wie Obst auf dem Markt auftürmten. Die Lade krachte hinter ihr auf den Boden und Tausende von Kondensatoren, Relais und Widerständen prasselten zwischen die Regalreihen.
    Ein paar Kunden schrien entsetzt auf und aus dem Augenwinkel konnte Chiyo sehen, wie einer alten Dame vor Schreck der Spielzeugroboter aus der Hand fiel. Noch bevor er auf dem Boden aufschlug, war Chiyo schon über einen zweiten Tisch gesprungen. Sie rannte an der Rolltreppe vorbei und bog in einen Quergang ab.
    Wie auf Murmeln glitten die Wachmänner auf den verstreuten Widerständen aus. Unter ihren Stiefeln knirschten sie wie Popcorn. Das Gebrüll der Sicherheitskräfte ließ weitere Kunden aufhorchen. Doch Chiyo traute sich nicht, sich umzusehen, weil es sie nur Zeit gekostet

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