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Das Licht, das toetet

Titel: Das Licht, das toetet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Derek Meister
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Boroughs seid echt seltsam.“

6
    Stille hatte sich über das Blockhaus gesenkt. Zachary konnte aus der kleinen Küche, die mehr eine Rumpelkammer war, das Tropfen des Wasserhahns hören. Viermal hatte er bereits versucht, den Hahn abzudrehen. Vergeblich.
    Das stete Tropfen ging ihm auf die Nerven. Er lehnte sich an die Tür, atmete tief durch und ließ seinen Blick durch das dunkle Wohnzimmer schweifen. Die Holzvertäfelung schnürte dem Raum die Luft ab. Alles roch muffig und erinnerte Zachary an Besuche bei seiner Oma. Ein verstaubtes Sofa aus den 60er-Jahren und die dazu passenden Sessel warteten neben einer scheußlich antiquierten Stehlampe, an der schon Spinnweben hingen, vergeblich auf Besuch. Ein museumsreifer Fernseher stand neben einem Kamin aus Feldsteinen, über dem Schwarz-Weiß-Bilder hingen. Fotos von der Marine. Zachary hatte die Bilder eingehend betrachtet, während Tan den Professor stundenlang verhört hatte.
    Die meisten Fotos zeigten ein Kriegsschiff, die USS Eldridge. Ihm war aufgefallen, dass auf keinem der Bilder ein Mensch zu sehen war. Weder ein Matrose noch ein Hafenangestellter oder Lieferant. Niemand. Nicht mal eine hübsche Frau. Ein paar Docks im Militärhafen der U.S. Navy, ein Pier, das Kriegsschiff, ein paar niedrige Militärgebäude. Immerhin zeigte eines der Fotos Biaggi in einer 40er-Jahre-Militäruniform, vermutlich in seinem eigenen Untersuchungszimmer, denn er stand mit stolzgeschwellter Brust und einem Stethoskop um den Hals vor einer Liege. Zachary schätzte, dass das Bild im oder kurz nach dem Zweiten Weltkrieg aufgenommen worden war. Biaggi war noch ein junger Mann.
    Und nun war der junge Mann tot.
    Professor Biaggi hockte gefesselt auf einem der Küchenstühle vor der Spüle. Der kahle Kopf war ihm auf die Brust gesunken. Blut war aus seinen Ohren gelaufen und hatte eine rote Spur auf sein weißes Hemd gezeichnet.
    Tan hatte es übertrieben. Der Junge hatte den schon halb bewusstlosen Professor überwältigt, in die Küche gezerrt und gefesselt. Dann hatte er ihm die Spritze gegeben, die eine spezielle Abart von Natrium-Thiopental enthielt. Ein Wahrheitsserum, wie es auch die CIA benutzte, um aus unliebsamen Subjekten Informationen herauszupressen.
    Zachary wusste, dass Natrium-Thiopental niemanden zur Wahrheit zwang und so etwas wie ein Wahrheitsserum in Wirklichkeit nicht existierte. Das Medikament, das Tan gut geschützt in seinem Fülleretui mit sich herumtrug, lockerte lediglich die Zunge und vernebelte den Verstand. Es senkte die Schwelle zu lügen, mehr nicht.
    Biaggi hatte ihren Fragen standgehalten.
    Irgendwann – Zachary kam es wie eine Ewigkeit vor, aber es musste erst eine Stunde her sein – war Tan auf die Idee gekommen, Biaggi mit seiner Schallpistole zu foltern. Wo Patient 5 sei, hatte er immer wieder gebrüllt – bis der Professor tot war. Wo er die Kiste versteckt hatte, wussten sie noch immer nicht.
    Das Geräusch von splitterndem Holz riss Zachary aus seinen Gedanken. Er ging zum Küchentisch, zog die Tischdecke ab und legte sie dem Professor über den Kopf. So war der Anblick der Leiche zwar noch abartiger, aber nicht mehr ganz so grausam. „Was, verflucht noch mal, tust du da?“ Er eilte ins Wohnzimmer.
    „Nach was sieht’s denn aus?“ Tan hatte sich die Stehlampe geschnappt, ließ sie gegen die Täfelung krachen und hebelte das nächste Furnierbrett ab. „Ich finde diese Kiste, keine Sorge.“
    Ohne eine Miene zu verziehen, riss Zachary ihm die Lampe aus der Hand. „Tan“, fuhr er seinen Partner an. „Ich mach mir keine Sorgen, dass wir die Kiste nicht finden, ich mach mir Sorgen um dich.“
    Tan verstand nicht.
    „Hast du dir mit dem blöden Schallding das restliche Hirn frittiert?“ Er warf die Lampe Richtung Couch und eine Blumenvase fiel klirrend zu Boden. Doch Tan blickte ihn nur groß und dümmlich an. Zachary schüttelte den Kopf. Der Junge war nur in zwei Dingen gut: Menschen quälen und Menschen töten.
    Ein Stümper, dachte er betrübt und wandte sich ab. Kurz überlegte er, sah sich zur Veranda um, zum Fliegengitter, dann zur Küche. „Wie groß war sein Vorsprung?“
    „Drei, vier Minuten“, nuschelte Tan beleidigt. „Höchstens.“
    „Hm … vier Minuten …“ Grübelnd kratzte sich Zachary am Kopf. „In vier Minuten hat er sicher nicht die Holzverkleidung abgemacht, die Kiste versteckt und alles wieder zugenagelt … Entweder gab es ein vorbereitetes Versteck oder er hat die Kiste aufs Geratewohl irgendwo

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