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Das Licht der Flüsse

Das Licht der Flüsse

Titel: Das Licht der Flüsse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Gesicht. Ich bin sicher, er hätte eine Rückzahlung geleistet,
     wenn er einen anständigen Vorwand gefunden hätte. Er wollte mich auf ein Glas einladen, aber ich lehnte ab. Seine Beteuerungen
     wurden mitleiderregend sanft, doch ich ging schweigend neben ihm her oder antwortete mit höflichen Floskeln; als wir zur Landestelle
     gelangten, gab ich dem Kapitän der
Cigarette
in englischem Slang Bescheid.
    Trotz der falschen Fährte, die wir am Vortag gelegt hatten, warteten um die fünfzig Leute an der Brücke. Wir waren zu allen
     außer Carnival so freundlich wie möglich. Wir sagten auf Wiedersehen, schüttelten dem alten Herrn, der den Fluss kannte, und
     dem jungen Herrn, der ein wenig Englisch konnte, die Hand, doch kein einziges Wort zu Carnival. Armer Carnival! Das war wirklich
     demütigend. Er, der so sehr mit den Kanus identifiziert worden war, der in unserem Namen Anweisungen gegeben hatte, der die
     Boote und sogar die Bootsfahrer wie in einer Privatausstellung präsentiert hatte, wurde nun von den Helden seiner Karawane
     derartöffentlich beschämt! Ich habe noch nie jemanden gesehen, der so niedergeschlagen war wie er. Er hielt sich im Hintergrund,
     trat immer schüchtern vor, wenn er glaubte, ein Anzeichen für nachlassenden Missmut bemerkt zu haben, und zog sich rasch wieder
     zurück, wenn er auf eisige Blicke traf. Hoffen wir, dass es ihm eine Lehre sein wird.
    Ich hätte Carnivals Kavaliersdelikt nicht erwähnt, wenn es für Frankreich nicht so ungewöhnlich gewesen wäre. Dies war zum
     Beispiel der einzige Fall von Unehrlichkeit oder gar Gaunerei während unserer ganzen Reise. Wir in England reden gern von
     unserer Ehrlichkeit. Es ist ratsam, auf der Hut zu sein, wann immer jemand große Worte wegen einer kleinen Tugendhaftigkeit
     macht. Wenn die Engländer nur hören könnten, wie man über sie im Ausland spricht, dann würden sie sich eine Weile zurückziehen,
     um den Schaden zu beheben, und selbst wenn das erledigt ist, könnten sie etwas weniger Überheblichkeit gut vertragen.
    Die jungen Damen, die Grazien von Origny, waren bei unserem Aufbruch nicht anwesend, doch als wir zur zweiten Brücke gelangten,
     siehe da – sie war schwarz vor Schaulustigen! Wir wurden lautstark bejubelt, und ein gutes Stück rannten Knaben und Mädchen
     johlend am Ufer entlang. Durch die Strömung und das Paddeln flogen wir wie die Schwalben dahin. Es war kein Kinderspiel, am
     bewaldeten Ufer mit uns mitzuhalten. Doch die Mädchen rafften ihre Röcke, als ob sie wüssten, dass sie schöne Knöchel hatten,
     und folgten uns, bis sie außer Atem waren. Die Letzten, die aufgaben, waren die drei Grazien und ein paar Kameraden. Gerade
     als auch sie genug hatten, sprang die erste von ihnen auf einen Baumstumpf und warf den Kanuten eine Kusshandzu. Nicht einmal Diana persönlich, obwohl diese hier eher eine Venus war, hätte etwas Anmutiges noch anmutiger tun können.
     »Kommt wieder!«, rief sie. Und alle anderen stimmten ein, und die Hügel um Origny wiederholten ihre Worte: »Kommt wieder.«
     Doch im nächsten Augenblick hatte uns der Fluss um eine Biegung befördert, und wir waren allein mit den grünen Bäumen und
     dem fließenden Wasser.
    Wiederkommen? Auf dem ungestümen Strom des Lebens, junge Damen, gibt es keine Wiederkehr.
     
    »Der Kaufmann beugt sich vor dem Seemannsstern,
    Der Ackermann verdankt sein Brot der Sonne.«
     
    Und wir alle müssen unsere Taschenuhren nach der Uhr des Schicksals stellen. Es gibt eine unbezähmbare und unaufhaltsame Flut,
     die den Menschen mitsamt seinen Träumen wie einen Strohhalm fortreißt und sich rasch in Zeit und Raum ergießt. Er ist voller
     solcher Biegungen, euer gewundener Fluss, die Oise; sie verweilt und kehrt wieder in freundliche Idyllen, doch wenn man genauer
     darüber nachdenkt, kehrt sie nie zurück. Denn auch wenn sie dasselbe Stück Grasland in derselben Stunde erneut besucht, wird
     sie in der Zwischenzeit einen weiten Bogen geschlagen haben; viele kleine Ströme werden sich mit ihr vereint haben, Wasser
     wird in der Sonne verdampft sein, obwohl es das gleiche Stück Land ist, wird es nie wieder dieselbe Oise sein. Und so, o Grazien
     von Origny, werde ich, selbst wenn das wankelmütige Geschick meines Lebens mich dorthin zurückführt, wo ihr am Ufer des Flusses
     auf den Ruf des Todes wartet, nicht derselbe sein, der auf den Straßen flaniert. Und werdet ihr dann nicht Ehefrauen und Mütter
     sein?
    Eigentlich konnte man sich auf die Oise

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