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Das Licht der Flüsse

Das Licht der Flüsse

Titel: Das Licht der Flüsse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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wie ein enttäuschter Bettler. Wo waren die belgischen Rudersportler? Wo waren der Richter und seine guten
     Weine? Und wo waren die Grazien von Origny? Schwarz, schwarz war die Nacht nach der vom Herdfeuer beleuchteten Küche, doch
     was war das schon im Vergleich zu der Finsternis in unseren Herzen? Es war nicht das erste Mal, dass man mir die Unterkunft
     verweigerte. Immer wieder habe ich geplant, was ich tun könnte, wenn mir dieses Missgeschick erneut widerfahren sollte. Und
     nichts ist einfacher zu planen. Aber einen Plan in die Tat umzusetzen, während das Blut wegen der Kränkung kocht? Versuchen
     Sie’s, versuchen Sie es nur einmal und erzählen Sie mir, ob Sie erfolgreich waren.
    Über Vagabunden und Moral kann man leicht reden. Sechs Stunden in Polizeigewahrsam (wie ich es erlebt habe) oder eine grobe
     Abfuhr vor einer Wirtshaustür ändern Ihre Ansichten zu diesem Thema ebenso gründlich wie eine ganze Reihe von Vorträgen. Solange
     man zu den höherenKreisen gehört und alle Welt sich verbeugt, wenn man vorübergeht, haben gesellschaftliche Konventionen einen angenehmen Charakter,
     doch wenn man erst einmal unter die Räder gekommen ist, wünscht man die Gesellschaft zum Teufel. Ich gebe den meisten respektablen
     Männern vierzehn Tage eines solchen Lebens, und dann biete ich ihnen zwei Pence für das, was von ihrer Moral übrig ist.
    Ich persönlich hätte, nachdem ich aus dem Hirsch oder der Hirschkuh oder was immer es war geworfen worden war, Dianas Tempel
     in Brand gesteckt, wenn er gerade in der Nähe gewesen wäre. Kein Verbrechen war groß genug, um meine Missbilligung menschlicher
     Institutionen zum Ausdruck zu bringen. Was den Kapitän der
Cigarette
angeht, so habe ich noch keinen gesehen, der sich derart veränderte. »Man hat uns schon wieder für Hausierer gehalten«, sagte
     er. »Herrgott, wie muss es erst sein, wenn man wirklich ein Hausierer ist!« Er wünschte der Wirtin für jeden Knochen und Knorpel
     in ihrem Leib ein Leiden an den Hals. Timon war ein Philanthrop im Vergleich zu ihm. Und dann, als er sie nach Herzenslust
     verflucht hatte, fing er plötzlich an, die Armen der Welt rührselig zu bemitleiden. »Ich hoffe bei Gott«, sagte er – und ich
     weiß, sein Gebet wurde erhört –, »dass ich nie unhöflich zu einem Hausierer sein werde.« War dies der unerschütterliche Kapitän
     der
Cigarette
? Wahrhaftig, er war es. Oh, welch unsagbare, undenkbare, unglaubliche Veränderung!
    In der Zwischenzeit weinte der Himmel auf unsere Häupter herab; die Fenster schienen heller, als die Nacht immer finsterer
     wurde. Wir trotteten durch die Straßen von La Fère; wir sahen Läden und Privathäuser, in denen Leute üppige Mahlzeiten verspeisten;
     wir sahen Ställe, wo Zugpferdereichlich Futter und sauberes Stroh hatten; wir sahen unzählige Reservisten, die sich in dieser regnerischen Nacht zweifellos
     selbst leidtaten und sich nach ihren Landhäuschen sehnten, doch hatte nicht ein jeder seinen Platz in den Kasernen von La
     Fère? Und wir, was hatten wir?
    In der ganzen Stadt schien es keinen zweiten Gasthof zu geben. Leute versahen uns mit Hinweisen, denen wir, so gut wir konnten,
     folgten, was für gewöhnlich dazu führte, dass wir erneut am Ort unserer Schande landeten. Wir waren wirklich recht traurige
     Gestalten, nachdem wir ganz La Fère durchwandert hatten; der Kapitän der
Cigarette
war mittlerweile fest entschlossen, sich unter eine Pappel zu legen und dort einen Laib Brot zu verdrücken. Doch am anderen
     Ende, im Haus neben dem Stadttor, brannte helles Licht und herrschte großer Trubel. »
Bazin, aubergiste, loge à pied «
, stand auf dem Schild. »
À la Croix de Malte
«. Dort wurden wir aufgenommen.
    Der Raum war voller lärmender Reservisten, die tranken und rauchten; wir waren wirklich froh, als die Trommeln und Hörner
     anfingen durch die Straßen zu dröhnen und alle ihre Tschakos schnappen und in die Kasernen zurückkehren mussten.
    Bazin war ein großer Mann mit Hang zur Korpulenz. Er hatte eine sanfte Stimme und ein zartes, freundliches Gesicht. Wir luden
     ihn ein, ein Glas Wein mit uns zu trinken, doch er entschuldigte sich, er hatte den Tag über mit den Reservisten angestoßen.
     Er war ein ganz anderer Typ von Arbeiterlokal-Wirt als der lautstarke, streitsüchtige Theoretiker in Origny. Auch er liebte
     Paris, wo er in jungen Jahren als Anstreicher gearbeitet hatte. Dort gebe es so viele Möglichkeiten,sich selbst weiterzubilden, sagte er.

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