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Das Licht der Toten: Roman (German Edition)

Das Licht der Toten: Roman (German Edition)

Titel: Das Licht der Toten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cyrus Darbandi
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Leuchten um sie herum verlor an Kraft. Wie immer in solchen Dingen waren die Gründe im Nachhinein vielkomplexer, als sie während ihres Auseinanderdriftens erschienen. Abraham war ein Mann, der sich selbst wie in einem Safe einschloss. Von seiner Jugend, von ihren Schrecken und Abgründen kannte Erin nur den winzigen Teil, den er sich erlaubt hatte, ihr mitzuteilen. Den weitaus größeren Rest verbarg er rigoros in der Dunkelkammer seines Herzens, zu der er Erin keinen Zugang gewährte. Erin wusste lediglich, dass sein Vater seit Jahrzehnten im Gefängnis saß und dass sich seine Mutter kurz nach der Aufdeckung der Morde umgebracht hatte. Seine Familiengeschichte war wie ein fauler, bröckelnder Zahn, den ganz zu ziehen er nicht bereit war, so dass seine Zunge immer wieder gegen ihn stieß und neue Schmerzenswellen der Erinnerung in ihm auslöste.
    Und auch das komplexe Verhältnis zu seinem Bruder hatte sie nie wirklich durchschaut.
    Robert Abraham. Der Felsen.
    Der seinen kleinen Bruder nach dem Verlust beider Eltern durch die darauffolgenden Jahre brachte, ihn durch Finsternis und Verwirrung half, der die Richtung vorgab. »Ohne ihn hätte ich es vielleicht nicht geschafft«, hatte Frank ihr erzählt. Auch deswegen hatte sie versucht, Robert zu mögen, aber da war etwas an ihm gewesen, das sie nicht zu ihm durchdringen ließ. Es war eine Verschlossenheit anderer Art als bei seinem kleinen Bruder, eine Unverbindlichkeit, die jede tiefer gehende Bindung scheute, eine Einsamkeit, die seiner Arroganz ebenso viel verdankte wie seiner Unfähigkeit, einem Menschen zu vertrauen und sich ihm hinzugeben.
    Ein Felsen. Steinblöcke, Spalten, Verwerfungen, autonom, unnahbar. Den Gezeiten ausgesetzt.
    Erin dachte: Schiffbrüchige können sich auf einen Felsen retten. Aber ihre Schiffe konnten an eben demselben Felsen auch zerschellen.
    Eines Tages verschwand Robert aus Franks Leben. Sie hatten sich seit den Stürmen ihrer Kindheit und Jugend nie ganz ausden Augen verloren. Robert besaß eine Baufirma und war in den 90ern als Subunternehmer an den Arbeiten am Potsdamer Platz involviert – und in, wie sich später herausstellte, kriminelle Machenschaften. Seine Firma ging pleite, er musste Leute entlassen und blieb auf einem horrenden Schuldenberg zurück. Dann ließ er sich mit den falschen Leuten ein.
    Und verschwand.
    Es war die alte Geschichte von dem Mann, der eines Morgens aus der Tür geht und nicht mehr zurücksieht.
    Roberts Verschwinden und Abrahams Weigerung, mit Erin darüber zu reden, waren nur ein Teil der langsamen Entfremdung zwischen ihnen. In den nächsten Jahren rief Robert immer wieder sporadisch an. Er sandte Lebenszeichen von sich, mehr nicht. Die Anrufe kamen nie von einem Festnetzgerät, sondern immer aus Telefonzellen oder von Handys, die danach beseitigt wurden, und sie kamen aus den unterschiedlichsten und unwirtlichsten Winkeln der Welt.
    Und die Welt war groß, man ging so leicht in ihr verloren.
    Und Abraham litt wie ein Hund unter der Ungewissheit, wo Robert war, was er machte und mit welchen Menschen er verkehrte.
    Während ihrer Ehe mit Abraham wurde Erin Zeuge einer ganzen Reihe von Untergängen. Polizistenehen schienen mit einem Mindesthaltbarkeitsdatum versehen zu sein, das, zumindest in ihrer Zeit, nicht über eine Handvoll Jahre hinausreichte.
    Der Verfall begann immer schleichend; Überstunden, komplizierte, belastende Ermittlungen – die Anwesenheit von Chaos, Zerstörung, Lüge und Tod als ungebetene Gäste, gegen die kein Protest, kein Gerichtsbeschluss half.
    »Es sind die Toten«, sagte Erin einmal nach einem Streit, der mit einer Nichtigkeit begonnen hatte, »all deine Toten. Du misst dem Leben dieser Toten die gleiche Bedeutung zu wiedem der Lebenden. Sie bilden eine regelrechte Mauer zwischen uns, Frank. Und ich kann diese Mauer nicht durchbrechen. Sie nehmen dich mir weg, und dazu haben sie verdammt noch mal kein Recht.«
    Natürlich verstand er ihre Wut, ihre Verzweiflung, sie aber verstand ihn nicht, und das war ihr Problem. Wie hätte er ihr auch den Terror erklären können, der ihn beim Anblick eines zerstörten Körper erfasste. Denn er verglich ihn unwillkürlich mit seinem eigenen unversehrten Leib und stellte sich vor, wie es wäre, selbst dort zu liegen … und Todesangst packte ihn, denn er war ebenso verletzlich und zerbrechlich wie alle Menschen angesichts ihres möglichen gewaltsamen Endes. Lohmann, sein Mentor, hatte ihn davor gewarnt: »Du wirst deine Familie und

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