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Das Licht der Toten: Roman (German Edition)

Das Licht der Toten: Roman (German Edition)

Titel: Das Licht der Toten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cyrus Darbandi
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Dunkel unter der Bettdecke ihrer Kindertage, sie machte dennoch weiter, und es war ihr, als wandte sich die Vernunft, sie als hoffnungslosen Fall klassifizierend, seufzend von ihr ab. Sie zuckte mit den Achseln und ließ es geschehen.
    Endlich ungestört von Warnungen oder Vorahnungen, strich sie mit der Taschenlampe über eine der Kassetten. Sie war beschriftet, ein Frauenname stand drauf. Ob er zu den Zeichnungen gehörte? War die Stimme, war der Schrei etwa von einer von ihnen gekommen?
    Sie musste es wissen, sie hatte sich schon viel zu weit in diese versiffte KLO-ake (ein wahres Wort, denn jemand, sie tippte wieder auf Beck, hatte die leere Wohnung als Abort gründlich zweckentfremdet) vorgewagt und befand sich jetzt auf unheimlichem Terrain. Da waren noch mehr Aufnahmen, sie nahm zwei weitere mit sowie das Gerät, denn eines war ihr klar: HIER würde sie sich den Inhalt auf gar keinen Fall anhören.
    Polly starrte auf die Kassetten auf dem Küchentisch. Etwas Unheimliches ging von ihnen aus. Nicht von ihnen selbst – von ihrem Inhalt, den sie gleich zu hören bekäme. Sie legte die erste Kassette wie ferngesteuert in das Gerät ein.
    Sie war mit dem Namen »Agnes« beschriftet.
    Polly sprach ihn laut und deutlich aus, ihr war nicht ganz klar, warum sie das tat.
    Es kam ihr vor, als nannte sie den Namen einer Toten.
    Sie drückte auf PLAY und vernahm zuerst nur ein leeres zischendes Rauschen. Es knackte zweimal hintereinander.
    Und dann, aus den tiefsten Tiefen der Hölle, stieg Beck zu ihr hinauf. Oder sie zu ihm hinunter. Nicht, dass dies einen Unterschied machte.
    (Zum ersten Mal hörte Polly Becks Stimme länger als die paar Floskeln, die er sonst mit ihr tauschte; genau wie in seinen Augenoffenbarten sich auch in seiner Stimme Heimtücke und Bedrohung, dabei vermied er jede Theatralik oder Raserei, sprach stattdessen ruhig und deutlich, genauso wie jemand, der für die Nachwelt aufzeichnet, und vergrößerte so ihr Entsetzen. Denn er hätte auch einen Batteriewechsel oder seinen morgendlichen Stuhlgang beschreiben können. Der Terror des Alltags. Und sie begriff, dass sie bei weitem auf nichts Verbotenes gestoßen war – vielmehr hatte der Schrecken dort schon immer auf sie gewartet.)

KAPITEL
SECHSUNDDREISSIG
    Beck/Agnes.
    »Natürlich ist mir bewusst, wer ich bin. Wenn es Phasen gibt, in denen das nicht so ist, so habe ich keinerlei Kontrolle über diese Abschnitte; sie gehören jemand anderem, der zufällig so aussieht wie ich. Dieser Andere lädt sich nach Belieben selbst ein, er muss wirklich ein masochistischer Wichser sein, denn wer möchte schon in mir wohnen, und wenn auch nur für kurze Zeit? Jedenfalls schlägt er hier wirklich viel Porzellan kaputt, immer wenn ich in mich zurückkehre, stehe ich vor einem Haufen Probleme, die zu lösen er mir überlässt. Denn wie gewöhnlich hat er sich danach aus dem Staub gemacht. Agnes könnte ein Lied davon singen, wenn der Zustand ihrer Stimmbänder dies zulassen würde. Zu unserm gegenseitigen Bedauern ist ihr das aber nicht mehr möglich. Sie hat wirklich gern gesungen, vor allem, wenn sie einen im Tee hatte. Wenn ich sie penetrierte, übrigens auch. Ich brachte ihr die Flötentöne bei – ich meine dies wörtlich, erstaunlich, wie lernfähig sie in diesem Alter noch sind, wenn man nur die richtigen Worte findet. Zum Beispiel: Tu es, oder ich gehe, und dann sehen wir uns nie wieder. Einfacher Satzbau, klare Ansage. Sie hatte sich geziert –du könntest mein Sohn sein, sagte sie, was in ihren Augen wohl bedeutete, ich wäre zu jung, um einen abgelutscht zu bekommen, aber das war nur eine faule Ausrede, denn in ihren Augen kochte die Gier auf meinen strammen Max schon über. Und tatsächlich: Ihre Zunge entpuppte sich dann als wahres Naturtalent und ihre falsche, gespielte Scham als Schmierenkomödie. Und sie ließ keinen einzigen Tropfen verkommen, den ich ihr in den Rachen schoss.«
    (Polly drückte auf PAUSE. Dass Beck von dieser Frau namens Agnes in der Vergangenheit sprach, bedeutete nichts Gutes. Ihre düstere Vorahnung wurde gleich darauf bestätigt.)
    »Was mich an dieser Sorte dumme Kuh interessiert, ist, abgesehen davon, ihr Fleisch zu zerreißen und sie gründlich fertigzumachen, dass sich dieser Abfall doch tatsächlich als Opfer sieht. Nun, Opfer sind sie erst, wenn ich mich entschließe, sie dazu zu machen. Sie sollten dies als Privileg betrachten, was sie nicht tun. Ich kann es ihnen ja nicht mal verübeln bei dem, was ich mit ihnen so

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