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Das Licht der Toten: Roman (German Edition)

Das Licht der Toten: Roman (German Edition)

Titel: Das Licht der Toten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cyrus Darbandi
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entlang.
    SEHR DRAMATISCH, dachte er.
    Bei dem Begriff »dramatisch« erinnerte er sich an den Mord an Margot. Ja, das war großes Theater gewesen, das plötzliche Auftauchen des verlorenen, verstoßenen Sohnes, die Auseinandersetzung, als MAMI wieder ihren FICK-MUTTI-UND-SEI-LIEB-Modus anschaltete und den Jungen, dieses vorzeitig gealterte Kind, erneut in den Abgrund stieß. Beck hatte sich ins Schlafzimmer verkrochen, die Tür angelehnt und zugehört und mit ihm sein Aufnahmegerät, seinen heimlichen Begleiter, denn just an diesem Tag hatte er vorgehabt, sich Margots zu entledigen. Kam ihr Sohn ihm etwa zuvor? Die Aufnahme lief jedenfalls, und Beck ließ das Geschehen im Wohnzimmer ebenfalls laufen. Irgendwann lagen die Hände des Sohnes um den Hals der Mutter, und Beck wartete. Er hörte Margot röcheln und um den Tod betteln. Das war genau sein Ding, darum ging es doch. Es war schon ein wenig traurig, dass er nun selbst nicht zum Zuge kam, aber er respektierte ungeordnete Familienverhältnisse. Er würde sich nicht einmischen.
    »Töte mich«, krähte Margot, »töte mich!« Sie gierte nach dem Tod, aber er wurde ihr nicht gewährt; Peer Gynt erwies sich als zu schwach.
    Stattdessen verließ er hastig die Wohnung, warf die Tür hinter sich zu und floh, was er sein ganzes Leben lang getan hatte, floh, ohne überhaupt etwas von Becks Anwesenheit geahnt zu haben.
    Beck kam aus dem Schlafzimmer und sah Margot wie einen Sack Müll unterm Tisch liegen und greinen wie ein altes Waschweib.
    Kinderfickerin.
    Mutterhure.
    »Hilf mir«, rief Margot heiser aus gequetschter Kehle. Beck blieb im Flur stehen und wartete, bis sie wieder auf den Beinen war, es dauerte seine Zeit. Währenddessen spannte und entspannteer seine Hände wie die Waffen, die sie waren. »Warum hast du nicht eingegriffen?«, greinte die Hexe und wankte auf ihn zu.
    »Wieso? Du hast nicht nach mir gerufen, und davon mal abgesehen: Du wolltest doch sterben, oder habe ich mich verhört?«
    »Komm zu mir, mein Schatz«, heulte sie und streckte die Arme nach ihm aus.
    Ekel und Hass fluteten die Ruinen seines Verstandes. Er klinkte sich aus seinem Körper aus und stieg zurück an den FÜRCHTERLICHEN ORT, zu dem Kind, das, aus dem After blutend und mit einem um seinen Kopf zugeschnürten Plastiksack zu ihm sagte: »JETZT MACH SIE FERTIG TU ES JETZT TU IHR WEH MACH SIE KALT MACH SIE TOT MACH SIE TOT TÖTE TÖTE TÖTE.«
    Aus dem Sarg namens Beck hallte eine Stimme: OKAY.
    Und während er sie fertigmachte und es ihr zum letzten Mal besorgte, stürzte ein Körper aus großer Höhe an ihrem Fenster vorbei.
    Beck nahm davon genauso wenig Notiz wie alle anderen.
    »Wo bist du denn abgeblieben?«, fragte ihn Doc ungeduldig, als er in seine Wohnung zurückkehrte.
    Ach, die Beute, das schnöde Geld, das für Doc so wichtig war und ihm scheißegal.
    »Spazieren«, sagte er schnoddrig.
    Er war aufgedreht, gereizt, geil, das noch frische Massaker in Markowitz’ Wohnung, seine Flucht, das alles massierte gerade mächtig seine Eier. Ein falsches Wort von Doc, und Beck hätte ihn an Ort und Stelle umgebracht.
    Wo war Polly? Er verspürte ein dringendes Verlangen, ihr die Haut vom Gesicht zu ziehen. Ihr danach seine Finger in die rohe Schlachtermaske zu bohren und ihre offenliegenden Nerven zu bearbeiten, bis dieses süße kleine Ferkel nur für ihn in den höchsten Höhen quiekte.
    OING OING. NUR EIN SPASS, DOC.
    »Können wir aufbrechen? Ich will die Teile so schnell wie möglich loswerden.«
    »Alles, was du willst, Doc«, sagte Beck.
    Als Mevissen und Beck sich aufmachten, um die Beute der letzten Nacht zu Geld zu machen, das hieß, alle Beck bekannten Hehler abzuklappern, war ihr klar, dass sie es jetzt tun musste.
    In die obere Wohnung gelangen. Um Gewissheit zu finden.
    Der Spur des Schreis nachgehen.
    In die Hände spielte ihr dabei Becks Schlüsselbund, an dem ein Dutzend Schlüssel hingen. Sie mutmaßte, dass die Schlüssel zu den jeweiligen Wohnungen passten, und fragte sich, wie er daran gekommen war und ob die verbliebenen Bewohner, von denen sie allerdings noch niemanden zu Gesicht bekommen hatte, darüber Bescheid wussten. Langsam kamen ihr Zweifel, ob überhaupt noch jemand außer Beck hier hauste. Wenn nur dieser Schrei nicht gewesen wäre. Woher kam bloß ihre schreckliche Neugierde? Sie würde zu nichts Gutem führen, das tat sie nie, wieso also blieb sie nicht in ihrem Schlafsack, schluckte ihre Vergiss-dich-selbst-Tabletten und driftete einfach fort? Weil

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