Das Licht der Toten: Roman (German Edition)
Selina schrie den Namen ihres Vaters.
Mikosch starrte Grischa an. Das war sein Henker.
»Meine Tochter«, sagte er.
Grischa zuckte mit den Schultern.
»Das liegt nicht in meinem Ermessen«, sagte er und zog seine Pistole. Plötzlich zuckte sein Kopf von Mikosch weg in eine andere Richtung, aus der sich ein weiterer Wagen näherte.
Mikosch hörte Selinas Schrei. Er bewegte sich schneller, als sie alle es ihm zugetraut hätten.
KAPITEL
SECHSUNDVIERZIG
Mikosch schrie und zog seinen Revolver hervor, was bei Arschawin nur ein müdes Grinsen hervorrief. Er schleuderte Selina zur Seite und griff nach Mikosch, der ihm den Revolver in den Bauch schob. Als er abdrücken wollte, klemmte Arschawin seinen Finger unter den Hammer und blockierte den Mechanismus. Dann zog er ein Messer hervor und schnitt Mikosch mit einer rasenden Bewegung die Kehle durch. Mikosch spürte nur einen scharfenund dann, Sekunden später, brüllend heißen, zerfetzenden Schmerz, und als sein Kopf daraufhin nach hinten kippte und Blut aus der klaffenden Spalte schoss, verwandelte er sich von einem Moment zum nächsten in ein totes Ding. Sein Körper durchlief ein Zittern, so heftig wie kurz, was selbst Arschawin ein kleines bisschen schockierte. Immerhin tötete er zum ersten Mal von Angesicht zu Angesicht. Er wich vor dem Mann zurück und zog dabei seinen blutenden Finger aus dem Hammer.
Was den Revolver doch noch auslöste, weil Mikosch den Abzug nicht losgelassen hatte. Die Kugel schlug mit einem satten Knall in Arschawins Eingeweide ein.
Er spürte keinen Schmerz, nur einen unangenehmen Druck. Er dachte: Das ist doch gar nichts.
Die beiden Männer verkeilten sich ineinander und Mikosch schrie, und dann hörte Robert einen Schuss und sah, wie Mikosch zu Boden ging. Arschawin stand aufrecht, zitterte aber ein wenig, schwankte, hielt sich den Bauch, warf das blutige Messer, mit dem er Mikosch getötet hatte, weg, und griff stattdessen nach seiner Glock.
Der Eismann sah den Toyota mit hoher Geschwindigkeit auf sie zukommen. Also hatte sich Abraham einen Backup mitgebracht. Ja, mit so etwas hatte man rechnen müssen.
Arschawin würde die Frau schnell töten müssen. Um den Wagen kümmerte er sich. Er hatte die Waffe schon in der Hand und stellte sich hin, die Beine leicht gespreizt und mit ausgestreckten Armen, die Waffe beidhändig umklammert und dadurch stabilisiert. Der Boden war glatt, und er hatte Mühe, einen festen Stand zu bekommen. Der Wagen raste heran und schlingerte und scherte plötzlich aus. Drehte sich um die Achse, rotierte, wirbelte, eine tobende Masse aus Blech und Stahl, in die der Eismann Löcher stanzte.Abraham hatte keinen Plan. Er hatte nur Angst um Robert, der da draußen von Feinden umgeben war. Er wusste nicht genau, was er tun sollte, außer endlich seinen Bruder zu erreichen. Dann sah er den Mann, der knapp hundert Meter von ihm entfernt wie eine Statue dastand und auf ihn zielte. Plötzlich splitterte die Windschutzscheibe. Spinnennetzartige Muster wuchsen aus dem Nichts. Abraham schloss die Augen und drückte das Gaspedal durch, schleuderte und verlor die Kontrolle über den Wagen.
Der Toyota rammte Grischa, der sich zur Seite warf, aber das nicht schnell genug. Seine Beine brachen wie Streichhölzer, doch sein Körper fror den plötzlichen Schock regelrecht ein, und er rollte über den Boden, die Waffe noch in der Hand.
Abraham stieß die Fahrertüre auf, als die erste Kugel dicht an seinem Gesicht vorbeipfiff. Er zog seine Pistole und lief um die Kühlerhaube herum.
Robert stürzte sich auf Arschawin und klemmte die Waffe unter sich ein. Dann schlug er Arschawin ins Gesicht, immer und immer wieder, bis kein Gesicht mehr da war, in das er noch hätte schlagen können.
Wie oft hast du abgedrückt, Grischa? Hast du mitgezählt? Der andere Kerl hat ein volles Magazin und du? Deine Beine? Vergiss deine Beine. Scheiß auf den Schmerz. Du musst uns am Leben halten, AM LEBEN .
Aber er war so müde. Er wollte einfach nur noch hier liegenbleiben.
Der Eismann sah in das Gesicht des anderen Mannes und hob die Waffe.
Abraham schoss dem Killer zweimal in die Brust. Der Mann ächzte und rührte sich nicht mehr.
»Du fährst mit ihr in meine Wohnung und wartest da.«
Abraham schob Robert und Selina in den BMW. Er verstaute auch die Tasche mit Nagys Geld in den Wagen. Sie würden das Geld noch brauchen. Robert wollte etwas sagen, es gab so viel zu sagen, aber Abraham schüttelte den Kopf; nicht jetzt.
Er sah ihnen nach,
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