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Das Licht der Toten: Roman (German Edition)

Das Licht der Toten: Roman (German Edition)

Titel: Das Licht der Toten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cyrus Darbandi
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der Tat völlig neben sich standen – wie ausgeschlossen aus ihren Körpern, die in dem Moment von blindwütigen, rasenden Dämonen besetzt waren.
    (Wenn er ihre Geschichten hörte, schob sich immer das Bild seines Vaters vor sein inneres Auge. Er versuchte dann, derweil mit einem Ohr zuhörend, sich seinen Vater während dessen Morden vorzustellen, das Gesicht zu einer bösartigen, besessenen Fratze entstellt, während er auf die schreienden Frauen unter ihm eindrang. Nur gelang es Abraham nicht, das dämonische Antlitz seines Vaters heraufzubeschwören. Es war das Antlitz eines Fremden, der ihn aussperrte. Nur in seinen Träumen war er ihm nahe.)
    Phelps war – auch davon gingen sie nach Auswertung der ersten Spuren aus – alleine auf dem Dach gewesen, als er sprang. Erstens hatte man keine Spuren einer weiteren Person dort oben gefunden, zweitens hatten mehrere Zeugen Stefan Phelps dort oben minutenlang von einer Kante zur anderen herumgehen sehen. Eine in Gedanken versunkene Gestalt, die eine einsame, ultimative Entscheidung traf. Niemand, der Phelps dazu zwang zu springen. Ein Mörder, von der eigenen Tat erschrocken, von dem eigenen Abgrund, in den er sich jetzt endgültig fallen ließ.
    Kleber fasste es, recht grobschlächtig, wie folgend zusammen: »Ein Typ bringt eine alte Frau auf grausame Weise um und kapiert erst im Nachhinein, was er da angerichtet hat. Er gerät in Panik, fremde Stadt, fremdes Land, und schließt sich selbst kurz – er springt. Ende der Geschichte.«
    »Das ist mit dem Holzhammer fabriziert«, sagte Abraham.
    Kleber grinste.
    »Dafür bin ich doch da. Die Feinjustierung überlasse ich dir.«
    Abraham sagte: »Keine Einbruchsspuren, sie hat ihn hereingelassen. Kannten sich die beiden? Und falls ja, von woher? Immerhin ist Australien von hier so weit entfernt wie die Erde vom Mond. Aber sein Vorname Stefan sowie dessen Schreibweise klingen deutsch – also ist er vielleicht vor Jahren nach Australien ausgewandert.«
    »Und in Wirklichkeit kein Surfer-Sonnyboy, sondern eine echte Berliner Pflanze.«
    Die australische Botschaft würde ihnen, was diese Frage anging, weiterhelfen.
    »Beenhakkers Wohnung war ein zugemüllter Albtraum«, machte Abraham weiter, »aber das bisschen Bargeld, das sie bei sich hatte, wurde nicht entwendet. Also, vergiss einen Raubüberfall. Schau dir ihre Verletzungen an – das war kein Gelegenheitsmord. Die Flasche zwischen ihren Beinen – eine vorsätzlicheSchändung. Und du weißt, dass wir so etwas nicht zum ersten Mal sehen.«
    »Du meinst, diese Scheiße von vor zwei Monaten in Wilmersdorf.«
    »Ja, und da sind wir bis heute keinen Schritt weiter.«
    »Edda Markowitz«, erinnerte sich Kleber. »Alleinstehend, Alkoholikerin. Verwahrlost. Du hattest dir ihren Ehemann vorgenommen.«
    Abraham erinnerte sich an einen kleinen zappelnden Mann, dessen Hände sich gelegentlich zu Fäusten verkrampften, wenn er sich aufregte, was während des Verhörs öfter passierte.
    »Exmann, und irgendwie kann ich ihn verstehen. Er sagte: ›Leben mit Edda war ein Albtraum, der sich jeden Tag wie eine alte Platte neu abspielte, nur dass diese Platte einen üblen Sprung hatte.‹«
    Aber das war nicht alles gewesen, was er ihm während des Verhörs erzählte. Henning Markowitz schloss die Schubladen seines Lebens mit Edda auf, dort, wo er die stinkende, dreckige Wäsche ihrer jahrelangen selbstzerstörerischen Beziehung vor der Öffentlichkeit versteckt hielt. Sie soffen beide, und wenn sie tranken, gesellten sich Gewalt und Langeweile dazu.
    Bevor sie sich selbst zerfleischten, verloren sie ihre beiden Kinder an den Staat.
    »Und heute weiß ich, das hat meine Kinder gerettet. Leben jetzt wie normale, wie richtige Menschen, sind nicht mehr in Gefahr, denn eines sage ich Ihnen: Bei uns waren sie in Gefahr.«
    Jetzt, endlich ungestört, konnten sie sich ihrem Abstieg intensiver widmen.
    »Ich habe sie geschlagen und sie schlug zurück. Erstaunlich, was für Kräfte man im Suff anzapft, sie war klein und schwächer als ich, aber wenn wir uns die Kante gaben, dann immer auf Augenhöhe. Es war wie bei diesem Film mit der Taylor undBurton – nur gab’s keine Oscars für uns. Wir waren ein seltsames Paar – liefen uns wie Hunde über den Weg, die im selben Viertel herumstreunen.«
    Zu dem Zeitpunkt galt Henning Markowitz aufgrund der gewalttätigen Vorgeschichte als dringend tatverdächtig.
    »Meine und ihre Eltern waren übrigens genauso – ihre Mutter soff schon, während sie

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