Das Licht der Toten: Roman (German Edition)
fragte Levy. »Du siehst furchtbar aus. Wie dein eigener Geist.«
»Wenn ich die Zeit dazu habe«, sagte Abraham. »Und wenn ich meinen Geist demnächst treffe, bestelle ich schöne Grüße von dir.«
Aufgebahrt auf dem kalten, stählernen Tisch lag Margot Beenhakkers aufgeschnittener Körper. Beinahe wie immer fiel Abrahams Blick als Erstes auf die am Tisch angebrachten Rinnen, in denen das Blut abfloss. Es war eines der Details, an denen man sich in diesen Momenten festhält, jeder hatte so seine Tricks, um die Zeit in der Rechtsmedizin rumzukriegen.
Abraham und Kleber hatten der Sektion des Leichnams beigewohnt, der ruhigen Stimme Levys gelauscht, der die einzelnen Untersuchungen samt Ergebnissen mit seinem Diktiergerät dokumentierte, die zahlreichen Verletzungen, deren Dichte und Tiefe beschrieb.
»Keine Anzeichen einer Vergewaltigung, dementsprechend fanden sich auch keine Spermaspuren. Sie wurde totgeprügelt, Frank, und das mit bloßen Fäusten. Keine Abwehrverletzungen. Als hätte sie die Tat über sich ergehen lassen. Oder sie ist überrascht worden.«
»Niemand lässt sich einfach so totschlagen, ohne sich zur Wehr zu setzen«, sagte Abraham.
»Sie war körperlich wohl nicht in der Lage dazu.«
»Der Killer ist wie ein Raubtier über sie hergefallen. Kein Zögern, kein Zaudern«, sagte Kleber.
Levy sagte: »Ihre Verletzungen sind wirklich massiv.«
Er zählte sie noch einmal auf, um dann abschließend festzustellen: »Klassischer Fall von Übertöten. Dazu die abgebrochene Flasche in ihrem Geschlecht. Übrigens erst post mortem eingeführt.«
»Klingt nach einer ganzen Wagenladung Hass«, sagte Kleber.
»Du meinst also, dass er nur seine Hände benutzt hat?«, fragte Abraham.
»Die KTU hat noch keine anderen Spuren finden können. Und andere Gegenstände, ein Hammer zum Beispiel oder eine Hantel, hätten an ihrem Körper Spuren hinterlassen, winzige Partikel. Hier: nichts. Außer Hautpartikeln, die von dem zweiten Toten stammen. Nein, nur die Fäuste. Euer Mann muss einkräftiger Kerl sein, vielleicht ein Bodybuilder, sehr stark und trainiert. Besitzt jedenfalls gehörig Muskelkraft.«
Abraham und Kleber tauschten Blicke miteinander. Phelps sah nun wirklich nicht wie ein Bodybuilder aus.
»Wie bei der Markowitz«, warf Kleber ein.
»Ja«, sagte Levy, »dem anderen Opfer aus Wilmersdorf. Nur war da keine abschließende Schändung im Spiel. Aber das Muster kommt hin, dieselbe rohe Brutalität.«
»Wenn du von einem Muster sprichst«, sagte Abraham, »dann geh noch einen Schritt weiter und nenn es eine Serie.«
»Eine Serie ist es erst ab drei Morden mit demselben Modus Operandi«, sagte Levy mit ernstem Blick, »aber darauf könnte es hinauslaufen.«
Kleber schüttelte den Kopf.
»Da im Kühlfach liegt die zweite Leiche, Doc, und der Kerl hat eine Menge Spuren an Beenhakker hinterlassen. Aber nicht an der Markowitz. Er ist Australier und erst gestern in Berlin angekommen.«
»Dann hatte er es mit dem Mord aber ganz schön eilig. Gibt es da eine Verbindung zwischen ihm und dem Opfer?«
»Wir sind dabei, das herauszufinden.«
Wenn es kein Zufallsmord war, dachte Abraham, dann muss es zwischen den beiden eine Verbindung geben. Die meisten Menschen wurden von denjenigen ermordet, von denen sie es nicht erwarteten.
Levy sagte: »Verstümmelungen kommen sehr selten vor. Meistens, um eine Leiche verschwinden zu lassen. Das klassische Zerstückeln zum Beispiel. Ansonsten sprechen wir von Verstümmelungen sexueller oder aggressiver Natur. Hier scheint mir beides vorzuliegen. Die Flasche ist eine deutliche Botschaft – die Tote wird selbst nach ihrer Ermordung weiter drangsaliert und verhöhnt.«
Zu Kleber: »Vergiss die Wagenladung Hass – hier haben wir es mit einem ganzen LKW zu tun.«
»Hört sich nach einem Mann mit einem erheblichen Problem an«, sagte Kleber.
»Ja«, sagte Abraham, »sein Problem ist buchstäblich mörderischer Natur.«
Gottwald rief an, hatte Neuigkeiten, Kleber übernahm den Anruf, er war froh, den stillen Raum verlassen zu können.
»Sie war schwere Alkoholikerin. Du hast ja den Zustand ihrer Leber gesehen«, sagte Levy, während sein Assistent begann, Beenhakkers Körper wieder zu verschließen und herzurichten. »Ihr allgemeiner Gesundheitszustand war verheerend, sie war viel zu dünn, fast schon unterernährt. Sie hätte bei dieser Art von Leben nicht mehr lange mitgemacht. Vielleicht noch zwei, drei Jahre, die Leberzirrhose hätte sie mit Sicherheit
Weitere Kostenlose Bücher