Das Licht der Toten: Roman (German Edition)
anderen und bist genauso wie sie – nur viel weniger, bist ne Handvoll von den Besten und den Schlechtesten unter ihnen. Ich aber bin anders – anders als ihr alle zusammen.
Mevissen sagte: »Hab gehört, du hast gesessen.«
»Wenn man das so sagt.«
»Und wegen was?«
»Na, wenn du dich umgehört hast, weißt du’s doch.«
Ja, wusste er. Totschlag. Nach einer Kneipenschlägerei. Mit bloßen Fäusten. Sein Gegenüber war ein im Milieu bekannter Schläger und Zuhälter mit einer ellenlangen Vorstrafe. Irgendein Luftikus von Anwalt schwafelte geschickt von Selbstverteidigung und ersparte Beck einen wirklich ausgedehnten Aufenthalt. Nichts davon hatte Mevissen Polly erzählt. Er hatte sie angelogen und fühlte sich schlecht dabei. Er hatte ihr auch nicht die Wahrheit über die Einbrüche erzählt. Sie waren nicht nur in Läden eingestiegen, sondern auch in Häuser und Wohnungen.Aber daran wollte er nicht mehr denken. Das war vorbei. Er fühlte sich in Becks erneuter Gegenwart unwohl. Dabei versuchte er doch, den alten Draht wiederherzustellen. Und zweifelte mit einem Mal, ob es den jemals so richtig zwischen ihnen gegeben hatte. Dass Beck jemanden getötet hatte, überraschte ihn allerdings nicht. Das hatte er kommen sehen. Ihm diesbezüglich Vorwürfe zu machen war aber in etwa gleichbedeutend wie eine Fahrt in die Einbahnstraße, denn immerhin hatte auch Mevissen einem Typen ein Messer in den Körper gerammt. Also mach dich nicht besser, als du bist, dachte er.
»Wie war’s im Knast denn so?«
»Ne Menge Loser, die ihre Runden drehen. Ich war nicht lange genug drin, um einer von ihnen zu werden.«
»Hast du Kontakte knüpfen können?« Die Frage erschien ihm sinnvoll – was sonst, außer an die Zellenwand zu starren und selbst Teil von ihr zu werden, sollte man in einer Umgebung machen, in der Leute vom gleichen Schlag einsaßen, mal mehr, mal weniger erfahren.
»Wie meinst du das?«
»Na, ich überleg, ob du dort Anschluss gefunden hast.«
»An wen?«
»Weiß nicht.«
»Ich suche keinen Anschluss, Doc. Das müsstest du doch noch wissen. Du warst der einzige Partner, den ich neben mir erlaubt habe.«
Ja, sehr großzügig von dir, dachte Mevissen. Nur entsprach das nicht der Wahrheit. Beck hatte den Ton angegeben, Mevissen war ihm gefolgt. Und zuerst klappte ja alles auch wunderbar. Sie stiegen ein, machten Beute bis … bis Beck komisch wurde. Das fing damit an, dass er Mevissen die Suche nach Bargeld oder Schmuck überließ und sich mehr für das Innenleben der Bewohner interessierte. Er stahl ihnen Fotografien, Tagebücher, persönliche Korrespondenzen … Wäsche. Mevissen warzuerst zu beschäftigt, um der Sache mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Er hielt es für einen Spleen – oder für eine besondere Art, die Leute, die sie beklauten, zusätzlich zu demütigen, indem man ihnen Dinge entwendete, die, jenseits des Geldes und der Wertgegenstände, wirklich wichtig für sie waren; Teil ihrer Identität, ihres Lebens. Es war dumm und unprofessionell, sie trugen praktisch die Beweise gegen sich bei einer möglichen Verhaftung mit sich rum. Aber Beck wollte die Sachen gar nicht für sich und für was auch immer behalten. Er benötigte sie für etwas anderes, wie er Mevissen erklärte, weil er damals noch dachte, dass sie auf einer Wellenlänge waren. Beck verbrannte diese Dinge später nämlich auf einem kleinen Scheiterhaufen. Wie bei einem perversen Gottesdienst. Beck zündelte gerne. Er hatte auch die Idee, in eingebrochenen Wohnungen Feuer zu legen. Als Mevissen ihn fragte, warum sie dieses zusätzliche Risiko auf sich nehmen sollten, sagte Beck: »Um die Spuren zu verwischen.«
Aber erstens trugen sie Handschuhe, zweitens hätten sie dafür Brandbeschleuniger mitschleppen müssen. Mevissen stellte sich vor, wie die Bullen sie damit abgriffen. Dann käme neben Einbruch auch noch Brandstiftung hinzu. Er redete Beck diese Scheißidee also aus, und so begnügte sich Beck mit seiner rituellen Feuerbestattung. Das schien ihm sehr wichtig zu sein … all diese Erinnerungen, Habseligkeiten, Träume der Leute in Rauch aufsteigen zu sehen. Beck begründete das Verbrennen damit, eine Art poetische Bestrafung durchzuführen.
»Diese Wichser mit ihren gutsituierten, bürgerlichen satten Scheißleben. Ich verachte dieses Pack. Ich zeig ihnen, wie’s in der Welt zugehen kann. Weil es unterhalb von deren Scheißwelt noch eine andere gibt – meine. Geld weg, Schmuck weg, Erinnerungen – alles weg. Mir
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