Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Licht der Toten: Roman (German Edition)

Das Licht der Toten: Roman (German Edition)

Titel: Das Licht der Toten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cyrus Darbandi
Vom Netzwerk:
aufgehalten und ihm bei dieser Vorbereitung zugesehen, hätte ihn dieses Bild zutiefst verstört. Das Grinsen war nicht nur aufgesetzt, sondern zutiefst falsch.
    Aber üblicherweise hielten sich die Leute freiwillig von ihm fern. Seine Gegenwart war ihnen auf eine Art und Weise unheimlich, die in Worte zu fassen sie nicht imstande waren. Das nannte man dann wohl einen Eindruck hinterlassen.
    Beck wusste, dass er damals auch bei Mevissen Eindruck hinterlassen hatte, so sehr, dass sich ihre Wege getrennt hatten – wie kaputt musste Doc also sein, um jetzt hier aufzutauchen?
    Vielleicht litt Mevissen ja an Gedächtnisverlust? Hatte die gute alte Festplatte gelöscht oder irgendwie abstürzen lassen. Das wäre aber schade, dachte er, es gibt Dinge, die es wert sind, immer wieder abgespielt zu werden. Auch wenn sie nicht jedermanns Sache waren. Weil jedermann dabei gekotzt hätte. Nein, Christian, das, was uns beide verbindet, vergisst man nicht. Und wenn doch, werde ich dich daran erinnern müssen.
    Beck trug eine Basecap mit dem pinkfarbenen Schriftzug BERLIN drauf und schien sich wie aus dem Nichts zu materialisieren. Polly hörte, wie Mevissen neben ihr scharf die kalte Luft in sich sog und sich einen Augenblick lang versteifte, als seier sich plötzlich nicht mehr so sicher, ob es eine gute Idee gewesen war, hierherzukommen. Aber es war zu spät, um noch einen Rückzieher zu machen, und so ging ein Ruck durch ihn und er fiel Beck regelrecht um den Hals. Beck drückte zu und presste seinen alten Freund an sich, den er, wie lange jetzt – acht, neun Jahre? –, nicht gesehen hatte. Wickelte ihn regelrecht ein wie eine Anakonda. Dabei hob sich sein Blick über Mevissens Schulter, und seine Augen bohrten sich wie die Enden eines Elektroschockers in Pollys Hirn. Vertrieben für einen Moment den Nebel, hinter dem sie sich zurückgezogen hatte.
    »Schön, dass es dich noch gibt«, sagte Beck, und seine Stimme klang wie Metallspäne, die man aufs Eis wirft, ein dürres unangenehmes Krächzen. Polly ertrug den Blick, solange sie konnte – genau einen Herzschlag lang –, und sah zu Boden. Denn sie hatte ein Gespür dafür entwickelt, wenn jemand log. Im Laufe ihres Lebens im Schmerz, im Anderssein war sie einem ganzen Haufen von Heuchlern und Lügnern begegnet, angefangen bei ihrer Mutter bis hin zu Holger, dem Wolf, dem Blender schlechthin. Sie glaubte alle Farben der Lüge zu kennen. Aber Beck war noch einmal etwas anderes. Er mischte eine ordentliche Portion Schwarz in den satten Farbtopf.
    Mevissen schien blind dafür zu sein.
    Polly hingegen entwickelte beinahe sofort einen Widerwillen gegen Beck.
    Beck war ein relativ kleiner Mann, der sich aber größer machen konnte, als er war. Er war durchtrainiert, vor allem seine Arme waren ausgeprägt muskulös – so als hätte er sie regelrecht aufgepumpt. Er trug ein schwarzes T-Shirt und eine dünne abgewetzte Lederjacke und musste eigentlich entsetzlich frieren, aber entweder marschierte die Kälte einfach durch ihn hindurch, oder aber er selbst war ein Teil der Kälte.
    Er trug eine, wie Polly fand, völlig unpassende randlose Brille, die ihm wohl ein akademisches, seriöses Aussehen verleihen sollte. Hinter der Brille funkelten zwei harte schwarze Murmelnin einem düsteren Licht. Sie waren das genaue Gegenteil von Mevissens Augen, erdfarben und beruhigend, und überhaupt schien der Kerl so völlig anders als Mevissen zu sein, und sie verstand immer noch nicht, was die beiden eigentlich miteinander verband, außer einer kleinkriminellen Vergangenheit. Da musste mehr sein.
    (Und eben das beunruhigte sie. Weil sie nicht glauben konnte, dass ihr Mevissen etwas verschwieg.)
    Beck kam auf sie zu und streckte seine Hand aus. Etwas daran stimmte nicht: Es kam nicht echt rüber, sondern beinahe roboterhaft abgehackt, so als halte er ihr einen Stock hin. Sie schauderte bei dem Anblick seiner Hand mit ihren kräftigen Fingern, und als sie sie dennoch nahm, von Mevissen sorgfältig beobachtet, hatte sie das Gefühl, als schließe sich ein Eisblock um ihre Hand.
    Beck brauchte nur einmal die Muskeln (wie Stahltrosse, dachte sie) spielen zu lassen, um sie zu zerquetschen.
    Was er nicht tat, aber einen Moment lang blitzte ein tiefes, aus schlechten Erfahrungen und Albträumen herrührendes Unbehagen in ihren Augen auf, und sie bemerkte sehr wohl, wie Beck dieses Unbehagen aufmerksam registrierte. Dabei veränderte sich etwas in seinem seltsam glatten, konturlosen,

Weitere Kostenlose Bücher