Das Licht des Nordens

nicht ausgesehen, als ich hergekommen war.
    Â»Hüh-jah!« rief ich Demon zu und schnalzte mit den Zügeln. Er fiel in Trab.
    Â»Alles in Ordnung mit dir?« fragte Weaver.
    Â»Ja«, antwortete ich und fuhr die Straße hinunter. Am Saloon, an O’Hara’s und Payne’s, beim Barbier, an der Post und an der Schule vorbei.
    Sobald wir zum Dorf hinauswaren, zog ich die Zügel an, bis Demon anhielt, dann legte ich den Kopf in die Hände.
    Â»Ach komm, Matt«, sagte Weaver und klopfte mir auf den Rücken. »Sie ist ja nicht aus der Welt. Du wirst sie wiedersehen.«
    Â»Da bin ich mir nicht so sicher. Ich werd sie nicht wiedersehen. Ich weiß, daß ich sie nie mehr wiedersehen werde.«
    Â»Doch. Sie bleibt ja nicht für immer in Frankreich. Eines Tages kommt sie nach New York zurück.«
    Â»Aber ich werd nicht dort sein«, sagte ich leise.
    Â»Was?«
    Ich wollte es ihm eigentlich nicht sagen, mußte aber. Seit Wochen hatte ich es vor ihm geheimgehalten, aber auf Dauer ging das nicht.
    Â»Weaver … ich geh nicht. Ich geh nicht nach New York City«, sagte ich.
    Â»Du gehst nicht?
Warum
nicht?«
    Â»Royal und ich … wir sind verlobt. Ich werde … er … ich bleib hier. Wir werden heiraten.«
    Â»Royal?
Royal Loomis?«
    Â»Er ist anders, als du denkst.«
    Â»Ach, du meine Güte, Mattie! Das glaub ich nicht. Ich hab ja gesehen, wie er dich abgeholt hat, wie ihr gemeinsam ausgefahren seid, aber ich hätte nicht gedacht, daß es was Ernstes ist. Warum heiratest du nicht Demon? Oder Barney? Oder den großen Felsblock da drüben?«
    Â»Weaver, hör auf.«
    Â»Aber er kann dir doch nicht das Wasser reichen. Kann er schreiben? Kann er eine solche Geschichte schreiben wie du? Liest er? Kann er das überhaupt?«
    Ich antwortete nicht.
    Â»Hast du ihm je dein Aufsatzheft gezeigt? Hat er je deine Geschichten gelesen? Antworte mir. Beantworte mir bloß diese eine Frage.«
    Ich antwortete nicht. Das wäre auch zwecklos gewesen. Ich konnte ihm nicht erklären, daß ich Bücher und Wörter liebte, aber zugleich jemanden haben wollte, der mich in seinen Armen hielt, der mich ansah wie Jim Minnie angesehen hatte, nachdem sie ihm einen Sohn und eine Tochter geboren hatte. Oder daß meine Familie zu verlassen – das Versprechen zu brechen, das ich Mama gegeben hatte – mir das Herz brechen würde.
    Weaver schimpfte weiter, während wir fuhren. Ich ließ ihn. Ich hatte ihm nichts entgegenzusetzen.
    Wenn man zwei Pferde zusammenspannt, und eines ist stärker als das andere, wird das schwächere Pferd gerempelt und verletzt.
    So ging es einem in der Freundschaft mit Weaver. Ein Farmer kann am Geschirr seines Gespanns eine Vorrichtung anbringen, um dem schwächeren Pferd die Last zu erleichtern, aber bei den Herzen und den Seelen zweier Menschen geht das nicht. Ich wünschte. ich hätte auf der Stelle nach New York gehen können. Ich wünschte, ich wäre so gewesen wie Weaver. Genauso furchtlos.
    Aber das war ich nicht.

Kon• fabu • lie • ren
    Â»Ada! Weaver! Mattie! Frances! Holt die Pies raus. Und die Eiscreme!« bellte die Köchin von der Tür aus.
    Â»Ja, Ma’am!« antworteten wir im Chor.
    Â»Und vergeßt die Limonade nicht!«
    Â»Ja, Ma’am!«
    Â»Und hört auf zu schreien! Das hier ist ein Ort der Erholung, verdammt noch mal, und kein Holzfällerlager!«
    Â»Ja Ma’am!« riefen wir und lachten, als wir aus der Küche, durch den Speisesaal und über die Veranda auf den vorderen Rasen des Glenmore hinausliefen.
    Â»Plaudern«, raunte mir Weaver zu, als er an mir vorbei ging.
    Â»Konversation machen«, antwortete ich wie aus der Pistole geschossen.
    Es war der Feiertag des vierten Juli, der glanzvollste Abend der Sommersaison, und kein anderes Hotel am Big Moose Lake, am Fourth Lake oder an irgendeinem anderen See im ganzen Staat New York veranstaltete eine schönere Party als das Glenmore. Wir hatten etwa hundert eigene Gäste, ein paar aus den anderen Hotels, die eigens über den See gerudert waren, und praktisch alle Familien aus Big Moose Station, Eagle Bay und Inlet. Jeder durfte kommen, und das taten die meisten auch. Das Hotel verlangte einen Dollar für Erwachsene und fünfzig Cent für Kinder, und die Leute sparten das ganze Jahr, um alle Angehörigen einladen zu können. Für sein Geld bekam man so