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Das Licht des Orakels

Titel: Das Licht des Orakels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victoria Hanley
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hatte sie repariert – und wie?
    Er durfte keine Sekunde Zeit verlieren. Renchald setzte all seine innere Kraft ein, um die Barrieren erneut zu zertrümmern.
    Sie hielten stand.
    Renchald hörte einen trompetenartigen Schrei. Ein riesiger Vogel schwang sich auf mächtigen Schwingen vom Himmel herunter, mit schimmernden schwarzen Federn und leuchtend rotem Schnabel.
    Aber ich habe Kiran niemals beigebracht, den Vogel zu rufen, der ihn erwählt hat!
    Renchald rief seinen Geierfalken. Ein Raubvogel konnte jeden Schwan schlagen, egal, wie groß er war.
    Der Falke erschien mit solcher Geschwindigkeit, dass er nur verschwommen vor dem roten Himmel zu sehen war, als er sich im Sturzflug auf den schwarzen Schwan stürzte, laut kreischend und mit vorgestreckten messerscharfen Krallen. Schnell wich der Schwan aus und der niederstoßende Falke streifte nur eine Schwinge.
    Schwarze Federn schwebten zu Boden, doch der Schwan flog weiter, machte eine scharfe Wendung und sauste auf Renchald zu.
    Der Falke stieg wieder hoch in die Luft. Greif an!, dachte Renchald, das Gesicht zu dem Vogel erhoben, der ihn erwählt hatte.
    Mitten in der Luft prallten die beiden Vögel aufeinander. Renchald und Kiran stürzten beide zu Boden. Renchald kam auf die Knie und stand wieder auf. Kiran blieb still liegen und Brock stürzte neben ihn auf die Knie.
    Lord Errington erhob sich mühsam und fluchte wütend.
    Bolivar und ein Dutzend Wachsoldaten kamen angerannt. Renchald bedeutete ihnen, sich zu beeilen. Dicht neben ihm hockte sein Geierfalke und klapperte mit den Augenlidern. Der schwarze Schwan saß bewegungslos da.
    »Da siehst du, Kiran, es ist zwecklos zu kämpfen. Die Götter wachen über den Tempel.«
    Kiran schlug die Augen auf und Renchald war bereit.
    Er ließ den Ring der Götter aufblitzen und Kirans Blick fiel darauf.
     
    Kiran war der Gabe des Geierfalken unterworfen.
    Seine schon vor langer Zeit gestorbene Mutter erschien ihm, sprühend vor Leben. Sie stieg auf ihr Pferd.
    Der Sattel war nicht richtig festgezurrt, er würde wegrutschen und ihr Fuß sich im Steigbügel verfangen. Sie würde zu Tode geschleift werden.
    »Nein!«, schrie Kiran. »Reite heute nicht!«
    Sie hörte ihn nicht, schien ihn auch nicht zu sehen.
    Irgendjemand hinter ihm lachte höhnisch. Kiran drehte sich um und sah Raynor Errington als Jungen, wie er gerade seine Reitpeitsche hob, um ein erschrecktes Pferd zu schlagen.
    »Hör auf!«, schrie Kiran und fühlte dann, wie er unter die stampfenden Hufe geschleudert wurde. Flehend hob er die Hände. »Nein!«, schrie er.
    Der ältere Lord Errington, Raynors Vater, nahm dessen Platz ein. Er trat gezielt gegen Kirans schutzlose Rippen. Kiran krümmte sich stöhnend und eine Gruppe von Wachen stürzte sich auf ihn. »Wir haben Befehl, dich zum Meisterpriester zu bringen.«
    Aber der Meisterpriester war schon da und nickte Bolivar zu, Selid den Dolch in die Kehle zu stoßen.
    »Nein!«, schrie Kiran wieder. Er sah seine Mutter reiten, sah den Sattel wegrutschen, ihren Fuß sich im Steigbügel verfangen, er sah Selids Blut, wie es sich über die Steine vor dem Kamin ergoss.
    »Kiran!«, schrie jemand. »Das ist nicht echt!«
    Wer war das?
    Lord Errington trat wieder zu, sein Stiefel war so schwer wie der Huf eines Hengstes. Raynor kreischte vor Lachen. Das Wiehern eines erschreckten Pferdes vermischte sich mit den Schreien seiner Mutter.
    »Das ist die Gabe des Geierfalken, Kiran!«, rief jemand. Die Stimme ging fast unter im Lärm von Panik und Tod. »Das ist der Ring!«
    Wer hat da gerufen? Welcher Ring?
    »Hilf ihr doch!«, rief Kiran seinem Vater Eston zu, der knapp außerhalb seiner Reichweite auftauchte. Estons Augen überzogen sich mit tiefer Trauer, als er die Flasche Schnaps an den Mund setzte.
    Da war sie wieder, die geisterhafte schmerzerfüllte Stimme: »Renchald bringt dich dazu, die Vergangenheit hervorzubringen, Kiran, die schlimmsten Augenblicke deines Lebens alle auf einmal!« Brooks Stimme.
     
    Renchald beobachtete, wie Kiran hilflos mit seinen eigenen Gespenstern kämpfte. Errington trat immer wieder auf Brock ein, aber der hörte nicht auf zu rufen.
    Dann erstarrte Renchald. Woher kannte Brock das unantastbarste Geheimnis des Meisterpriesters? Kein Lebender außer ihm selbst wusste, was er mit der Gabe des Geierfalken und dem Ring der Götter bewirken konnte.
    »Der Ring, Kiran! Was du siehst, ist nicht die Wirklichkeit!« Brock ächzte, als Lord Errington auf seine Schulter eindrosch. »Das ist

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