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Das Licht des Orakels

Titel: Das Licht des Orakels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victoria Hanley
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sie tröstete ihn. Auch sie hatte diese Krankheit und Hoffnungslosigkeit gekannt.
    Und sie überwunden. Sie hatte bewiesen, dass ein Fluch aufgehoben werden kann.
    Krampfhaft versuchte er, sich daran zu erinnern, was sie ihm erzählt hatte. Ich habe gefunden, was nicht in meine Landschaft passte. Seine Vermutung, dass der Fluch versuchen würde, sich der inneren Landschaft anzupassen, war also richtig gewesen.
    Wenn er sie doch nur mehr gefragt hätte. Nun war sie weg, unterwegs zur Königin. Er musste einfach das tun, was er allein zu tun vermochte.
    Er war so müde, dass er am liebsten einschlafen wollte, warten, bis er ausgeruht war, ehe er versuchte, den Fluch aufzuheben. Doch dann stellte er sich wieder vor, dass der Meisterpriester ihm befahl, seine Freunde zu verraten, und er in sich einen erschreckenden Drang zu gehorchen spürte.
    Nein, er musste wach bleiben.
    Kiran rutschte auf dem Wagensitz hin und her, um seinen Körper etwas zu entlasten. Er bewegte sich dabei ganz vorsichtig, denn er gab weiter vor, weiterhin zu schlafen. Um sich Mut zu machen, rief er sich ins Gedächtnis, wie er und Bryn sich miteinander verbunden hatten.
    Es dauerte länger als sonst, zu seiner inneren Landschaft zu gelangen, aber schließlich kam sein Traumkörper doch dort an.
    Der Himmel schien golden, in der Ferne erhoben sich scharlachrote Berge. Glitzernde Ströme ergossen sich von den Hängen und gingen zu breit gefächerten, strahlenden Wasserfällen über, die sich weiter unten zu einem silbrigen Fluss verbanden, der schnell durch die saftige Graslandschaft bis zu einem solide gebauten Steindamm strömte. Unter dem Damm wurde das Wasser langsamer und bildete Teiche.
    Kiran ließ seinen Blick über die Landschaft schweifen, auf der Suche nach etwas, das nicht dazugehörte. Irgendetwas, das fehl am Platze war, etwas, bei dem er sich nicht wohl fühlte, aber was? Wieder musterte er das Gelände. Berge, Wasserfälle, Fluss, Graslandschaft, Damm, Teiche.
    Er ging zu einem der Teiche und hockte sich hin. Die Oberfläche war von einer dünnen Schleimschicht überzogen, die zusehends dicker wurde. Er schaute zu den angrenzenden Teichen und auch dort bildete sich eine Schleimschicht auf dem Wasser.
    Natürlich! Der Fluch hatte die Form eines Damms angenommen. Kiran selbst hätte niemals den freien Lauf des Wassers in seiner Landschaft gestoppt!
    Schnell ging er auf den Damm zu. Schwere Steinblöcke blockierten das Wasser. Was konnte er nur tun, um sie zu entfernen? Wer könnte ihm helfen?
    Die Antwort segelte durch die Luft. Der Schwan.
    Kiran erinnerte sich daran, dass Cleas Fluch Bryn den Wind genommen hatte. Sie hatte sie in Stille eingeschlossen und sie damit ihrer Gabe beraubt. Vielleicht würde er nun dementsprechend nicht mehr die Fähigkeit besitzen, den Geist des Schwans zu berühren. Doch in Bryns Fall wollte Clea ihr die Fähigkeit zu prophezeien entziehen, wohingegen Kirans Fluch ihn gefügig machen sollte, damit er dem Verlangen des Meisterpriesters nach mehr Prophezeiungen nachkam. Wenn er nicht weiterhin ein Prophet des schwarzen Schwans war, wäre er für den Tempel wertlos.
    Er musste den Schwan rufen. Kein anderer konnte ihm jetzt helfen.
    Kiran rief. Er stand neben dem Damm in seiner Landschaft, wartete und rief inbrünstig nach dem Schwan.
    Den Blick hatte er auf den leeren Himmel gerichtet und bat: Wenn ich in meinem Leben auch nur eine gute Tat vollbracht habe, dann hilf mir jetzt bitte.
    Nach einer zeitlosen Weile, die ihm wie Stunden erschien, kam, rasch aus den Wiesen aufsteigend, ein großer Vogel in Sicht. Schwarze Schwingen glitzerten vor dem goldenen Himmel, sein Schnabel leuchtete rubinrot.
    Kiran blickte ihm entgegen. Der Schwan ließ sich auf einem Ast direkt über Kiran nieder, schüttelte das Gefieder und sah ihn mit Augen an, die tiefer waren als alle Gewässer der Welt.
    Danke, dass du meinem Ruf gefolgt bist!
    Licht entrollte sich unter den Schwingen des Schwans und kam auf ihn zu, so dichtes Licht, dass er es mit der Hand fassen konnte wie ein Seil aus Seide.
    Und Kiran wusste, was er zu tun hatte. Er fügte die Lichtschnüre zu einem Netz zusammen, das groß genug war, es über den Damm zu werfen.
    Er warf es aus. Das Netz glitt unter die Blöcke von Cleas Fluch und schimmerte immer heller, je mehr Teile des ganzen Gebildes es umfasste.
    Als sich der ganze Damm im Netz befand, drehten Kiran und der Schwan den Netzrand zusammen, der
    Schwan mit dem Schnabel, Kiran mit der Hand.
    Jetzt!
    Sie

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