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Das Licht des Orakels

Titel: Das Licht des Orakels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victoria Hanley
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der Wagenremise kam. Renchald runzelte die Stirn, doch der junge Man verbeugte sich überaus höflich: Bescheidener Schüler grüßt den Meisterpriester.
    Brocks Erscheinen erinnerte Renchald an die Fragen, die er Kiran über seine Freunde stellen wollte. Hatte Brock davon gewusst, dass Kiran überlegte, den Tempel zu verlassen? Und woher wussten Bryn und Kiran, wo sich Selid aufhielt?
    »Meine Besprechung mit Lord Errington wird bald beendet sein, Kiran«, sagte Renchald. »Warte auf mich an der Bank neben dem Westportal. Ich habe noch Fragen an dich.« Kiran verbeugte sich höflich und wollte gerade mit Brock davongehen, als der Meisterpriester fortfuhr: »Und Kiran« – die Helfer wandten sich ihm wieder zu -»es ist dir verboten, stille Zwiesprache mit den Tieren zu halten. Außerdem darfst du mit niemandem außer mir über das reden, was sich während deiner Abwesenheit ereignet hat.«
    Wieder verbeugte sich Kiran respektvoll. Dann entfernte er sich zusammen mit Brock, der etwas von der Mathematik der Zeit murmelte.
    Alamar näherte sich mit Lord Errington. Der Lord verbeugte sich tief und Renchald erwiderte die Verbeugung und hieß ihn willkommen.
    »Ihr habt meine Tochter auf eine Reise geschickt, Euer Ehren?«, fragte Errington.
    Alamar verabschiedete sich schnell.
    »Clea ist wohlbehütet mit einer Abteilung der Tempelwache auf dem Weg zur Königin«, antwortete Renchald. »Sie hat einen wichtigen Auftrag. Doch mehr darüber später.« Er sah Errington bedeutungsvoll an. »Wollt Ihr einen Blick auf das prächtige Pferd werfen, das Ihr gerne erwerben würdet?«
    Errington verbeugte sich und Renchald ging voraus.
    Er zeigte auf Obsidian, der von den Strahlen der untergehenden Sonne beschienen am anderen Ende der Weide graste. Der Meisterpriester dachte nach. Er hatte sorgfältig abzuwägen, was er Lord Errington erzählen durfte.
    Die Weide bot die Möglichkeit, wirklich nur unter vier Augen zu sprechen.
    »Niemand außer mir wird ihn reiten dürfen«, sagte Errington und betrachtete das Pferd.
    »Ihr habt das Pferd verkauft?« Renchald zuckte zusammen, als Kiran und Brock wie aus dem Nichts neben ihm auftauchten.
    »Das geht dich nichts an, Kiran!«
    »Obsidian kann nicht an diesen« – Kiran deutete auf Errington – »aufgeblasenen Herrn der Begierde gehen!«
    Mit geballten Fäusten kam er einen Schritt näher.
    Erringtons Gesicht lief rot an. »Wie kannst du es wagen!« Er starrte Kiran an und ballte ebenfalls die Fäuste.
    Renchald trat zwischen sie. »Kiran, zurück! Ich befehle es dir!«
    Kiran lachte bitter auf. »Tritt selbst zurück, Renchald.
    Du hast den Tempel zu lange regiert!« Und Kiran stieß ihn so fest gegen die Brust, dass er nach hinten taumelte.
    Ungläubig schnappte der Meisterpriester nach Luft.
    Wie konnte Kiran sich gegen ihn auflehnen? »Brock«, sagte er, »hole Bolivar!«
    Brock verschränkte die Arme vor der Brust und machte keine Anstalten zu gehorchen. Errington stürmte auf den kleineren jungen Mann zu, doch Kiran stellte Errington ein Bein, sodass dieser der Länge nach auf dem Boden landete – mit Kirans Fuß im Nacken.
    »Keine Bewegung!«, sagte Kiran und Errington sackte in sich zusammen.
    Renchald dachte fieberhaft nach. Irgendwie hat Kiran den Fluch überwunden. Er drehte sich schnell um und winkte einer Wache, die am Westportal aufgestellt war.
    War der Mann nicht ganz richtig im Kopf und glaubte allen Ernstes, Kiran würde sich gerade freundschaftlich mit jemandem balgen, oder war er einfach von der Sonne geblendet? Renchald deutete auf den am Boden liegenden Errington. »Hole Bolivar!«, schrie er. Die Wache schirmte die Augen mit der Hand ab und nickte. Andere Soldaten konnten nicht weit sein, doch Kiran hatte die Zeit für seine Rebellion gut abgepasst. Oder war das Zufall?
    Renchald bekam Angst. In den letzten zehn Jahren hatte er sich höchstens zweimal in einer ungeschützteren Lage befunden. Nahezu alle Tempelmitglieder waren jetzt wahrscheinlich beim Abendessen. »Sei vernünftig, Kiran«, sagte er und hob den Ring der Götter. »Du kannst nicht alleine gegen die ganze Tempelwache kämpfen.«
    Aber Kiran blickte weder ihn noch den Ring an. »Die Vernunft habe ich an Selids Herdfeuer zurückgelassen«, gab er zur Antwort. »Und ich habe keineswegs die Absicht, alleine zu kämpfen.« Er schloss die Augen.
    Renchald tastete innerlich nach Kirans Geist. Seine Angst wuchs, als er feststellte, dass die Barrieren dieses unberechenbaren Rebellen intakt waren. Wer

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