Das Licht ferner Tage
den Anstieg des Meeresspiegels fallen nun weitaus höher aus als vor ein paar Jahrzehnten.
Und so weiter.
Zwischen all diesen Veränderungen besteht ein Zusammenhang. Es ist durchaus möglich, dass die klimatische Stabilität, derer die Erde für Tausende von Jahren sich erfreut hat – eine Stabilität, die die Entstehung der menschlichen Zivilisation überhaupt erst ermöglicht hat – nun zu Ende geht. Und vielleicht tragen wir die Schuld daran. Im schlimmsten Fall steuern wir auf einen unumkehrbaren Klimakollaps zu, zum Beispiel einen extremen Treibhauseffekt, den die Menschheit nicht überleben würde.
Jedoch sind all diese Probleme nachrangig im Vergleich zu dem, was wir zu gewärtigen haben, falls der als Wurmwald bekannte Himmelskörper die Erde treffen sollte – und es ist schon ein makabrer Zufall, dass die russische Bezeichnung für ›Wurmwald‹ ›Cernobyl‹ lautet…
Die Spekulationen über den Wurmwald und die wahrscheinlichen Folgen beruhen überwiegend auf falschen Informationen – noch schlimmer, auf völliger Ahnungslosigkeit. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal die grundlegenden Fakten zitieren.
Fakt: Der Wurmwald ist kein Asteroid.
Die Astronomen sind der Ansicht, der Wurmwald sei ein ehemaliger Mond von Neptun oder Uranus oder habe vielleicht in einem stabilen Punkt in Neptuns Orbit gestanden und sei dann irgendwie ausgebrochen. Wie auch immer, ausgebrochen ist er auf jeden Fall und befindet sich nun auf einem fünfhundertjährigen Kollisionskurs mit der Erde.
Fakt: Der Einschlag des Wurmwalds wird nicht mit dem Chicxulub-Einschlag vergleichbar sein, der zum Aussterben der Dinosaurier geführt hat.
Jener Einschlag war ausreichend, um ein Massensterben zu verursachen und den Kurs der Evolution auf der Erde drastisch und nachhaltig zu verändern. Der Eindringling hatte aber nur einen Durchmesser von etwa zehn Kilometern. Der Wurmwald ist vierzig Mal so groß und hat die sechzigtausendfache Masse.
Fakt: Der Wurmwald wird nicht nur ein Massensterben verursachen wie Chicxulub.
Es wird viel schlimmer kommen.
Der Hitzepuls wird das Land bis in eine Tiefe von fünfzig Metern sterilisieren. Das Leben wird vielleicht überdauern, aber nur in tiefen Höhlen begraben. Wir wissen nicht einmal in der Theorie, wie eine menschliche Gemeinschaft den Einschlag überleben sollte. Vielleicht ist es möglich, lebensfähige Populationen auf anderen Welten zu etablieren: Im Orbit, auf dem Mars oder auf dem Mond. Doch selbst in fünfhundert Jahren könnte man nur einen Bruchteil der heutigen Erdbevölkerung evakuieren.
Eine Evakuierung der Erde kommt also nicht in Frage. Wenn der Wurmwald einschlägt, bedeutet das den Untergang.
Fakt: Es ist nicht möglich, den Wurmwald mit der uns auf absehbare Zeit zu Gebote stehenden Technologie abzulenken.
Wir wären möglicherweise in der Lage, kleine Körper – mit einem Durchmesser von ein paar Kilometern, was für die Population der erdnahen Asteroiden typisch ist – mit geballten atomaren Ladungen beziehungsweise thermonuklearen Raketen abzulenken. Im Fall des Wurmwalds müsste man Energien aufbringen, die um viele Größenordnungen stärker sind. Es wurden bereits Gedankenexperimente zur Bewegung solcher Körper durchgeführt, zum Beispiel durch den Einsatz einer Reihe von Gravitationshilfen – was in diesem Fall ausscheidet – oder die Nutzung fortgeschrittener Technologien wie die nanotechnischen von Neumann-Maschinen, um den Körper zu zerlegen und zu zerstreuen. Jedoch sind solche Technologien noch Zukunftsmusik.
Zwei Jahre, nachdem ich die Verschwörung aufdeckt habe, der Öffentlichkeit die Existenz des Wurmwalds zu verschweigen, schwindet die Aufmerksamkeit schon wieder – und dabei haben wir das große Überlebens-Projekt noch nicht einmal in Angriff genommen.
Der Wurmwald wirft seinen Schatten voraus. Es ist eine grausame Ironie, dass gerade in dem Moment, wo wir uns anschickten, zum ersten Mal in der Geschichte die gemeinsame Verantwortung für unsere Zukunft zu übernehmen, die Bedrohung durch den Wurmwald diese Bestrebungen wieder zunichte macht. Die ersten freiwilligen Emissions-Grenzwerte sind schon wieder aufgehoben worden, Naturschutzgebiete wurden geschlossen, die Suche nach nicht erneuerbaren Brennstoffquellen wurde verstärkt, und eine Vernichtungswelle rollt über vom Aussterben bedrohte Tier- und Pflanzenarten hinweg. Wenn das Haus morgen eh abgerissen wird, scheinen die Menschen sich zu sagen, dann können wir das
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