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Das Licht ferner Tage

Das Licht ferner Tage

Titel: Das Licht ferner Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke , Stephen Baxter
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in Dunkelheit getaucht…
    … die langsam einer trüben Helligkeit wich. Er sah Hirams Gesicht vor sich schweben. Es wurde von einem weichen roten Licht angestrahlt.
    »Erste Eindrücke«, sagte Hiram. Er trat zurück und gab den Blick auf eine Landschaft frei.
    David ließ den Blick schweifen. Wasser, ein abschüssiger Kiesboden, ein roter Himmel. Wenn er den Kopf zu schnell bewegte, verwackelte das Bild und löste sich in Pixel auf; dann spürte er die Rückstellkraft des Helms.
    Der Horizont war stark gekrümmt, als ob er ihn aus großer Höhe betrachtete. Und an diesem Horizont ragten flache erodierte Hügel auf, deren Flanken sich im Wasser spiegelten.
    Die Luft schien dünn, und er fror.
    »Erste Eindrücke?« sagte er. »Ein Sonnenuntergang am Strand… Aber eine solche Sonne habe ich noch nie gesehen.«
    Die ›Sonne‹ war eine rote Lichtkugel mit einem gelborangefarbenem Kern. Sie ruhte auf dem klar konturierten Horizont und war zu einer Linse abgeflacht; vermutlich durch Refraktion. Sie war riesig: Viel größer als die irdische Sonne füllte sie als rotglühende Kuppel etwa ein Zehntel des Himmels aus. Vielleicht handelte es sich um einen Roten Riesen, mutmaßte er, um einen aufgeblähten alternden Stern.
    Unmittelbar zur Rechten der Sonne befand sich eine kompakte Konstellation, die ihm bekannt vorkam: Diese W-Form war sicher Kassiopeia, eines der am leichtesten zu identifizierenden Sternbilder – jedoch stand ein weiterer Stern links vom Sternbild, wodurch die Konstellation in ein Zickzack-Muster verwandelt wurde.
    Er machte einen Schritt nach vorn. Der Kies knirschte überzeugend, und er spürte spitze Steine unter den Füßen – obwohl er sich fragte, ob die Druckpunkte an den Sohlen der Beschaffenheit des Bodens entsprachen.
    Langsam ging er die paar Schritte bis zur Wasserlinie. Eis glitzerte auf den Steinen, und kleine Eisschollen säumten vielleicht einen Meter breit den Uferrand. Das Wasser war ruhig, fast unbewegt, und hob und senkte sich in langsamem Takt. Er bückte sich und inspizierte einen Kieselstein. Er war hart, schwarz und abgeschliffen. Basalt? Darunter schimmerte eine kristalline Ablagerung – Salz vielleicht. Ein heller Stern hinter ihm zeichnete weiß-gelbe Reflexe auf den Stein, der sogar einen Schatten warf.
    Er richtete sich auf und schleuderte den Stein übers Wasser. Er flog weit, aber langsam – niedrige Schwerkraft? – und traf schließlich mit einem leisen Plätschern aufs Wasser. Große Wellen breiteten sich langsam in konzentrischen Kreisen um den Auftreffpunkt aus.
    Hiram gesellte sich zu ihm. Er trug eine schlichte Ingenieurs-Springerkombi mit dem Boeing-Logo auf dem Rücken. »Hast du schon rausgefunden, wo du bist?«
    »Es ist eine Szene aus einem Science Fiction-Roman, den ich mal gelesen habe. Eine Endzeit-Vision…«
    »Nein«, sagte Hiram. »Keine Science Fiction. Kein Spiel. Das ist real… zumindest die Szenerie.«
    »Eine WurmCam- Perspektive?«
    »Genau. Mit reichlich VR-Verstärkung und Interpolation, sodass das Umfeld überzeugend reagiert, wenn man mit ihr in Interaktion treten will – als du zum Beispiel den Stein aufgehoben hast.«
    »Ich nehme an, dass wir uns nicht mehr im Sonnensystem befinden. Ist die Luft hier atembar?«
    »Nein. Sie besteht hauptsächlich aus Kohlendioxid.« Hiram deutete auf die abgerundeten Hügel. »Es gibt hier noch Vulkanismus.«
    »Aber es ist ein kleiner Planet. Ich sehe die Krümmung des Horizonts. Und die Schwerkraft ist niedrig. Der Stein, den ich geworfen hatte… Wieso hat dieser kleine Planet dann nicht die innere Wärme verloren wie der Mond? -Ach so, der Stern.« Er wies auf die glühende Hülle am Horizont. »Wir müssen so nah dran sein, dass die Gezeiten den Kern dieser kleinen Welt in flüssigem Zustand halten. Wie beim Jupitermond Io. Das bedeutet wiederum, dass der Stern nicht der Rote Riese ist, für den ich ihn gehalten hatte. Er ist ein Zwerg. Und wir sind nah dran – so nah, dass Wasser in flüssiger Form vorkommt. Falls der See oder das Meer dort drüben aus Wasser besteht.«
    »Durchaus. Obwohl ich dir nicht empfehlen würde, es zu trinken. Ja, wir befinden uns auf einem kleinen Planeten, der einen roten Zwergstern umkreist. Ein ›Jahr‹ hat hier gerade einmal neun Erdtage.«
    »Gibt es hier Leben?«
    »Die Wissenschaftler, die diese Welt erforschen, haben keines gefunden und auch keine Überreste aus der Vergangenheit. Eine Schande.« Hiram bückte sich und hob ebenfalls einen Basaltkiesel auf.

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